Washington. Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf geht nicht nur um politische Botschaften. Was Harris‘ Outfit über die Kandidatin aussagt.
In Zeiten von Fernsehen, Instagram oder Tiktok sind politische Botschaften ein Gesamtkunstwerk. Es zählt, was Politikerinnen und Politiker sagen. Es kommt aber auch darauf an, wie sie es sagen. Und wie sie aussehen, wenn sie es sagen. Und, ganz wichtig: wie sie aussehen, wenn sie nichts sagen und trotzdem eine Nachricht rüberbringen wollen. Worte, Werte und Erscheinung verschmelzen zu einem Bild.
Beim TV-Duell zwischen dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und seiner demokratischen Konkurrentin Kamala Harris am 10. September wurde das ganz deutlich. Zwei völlig unterschiedliche Bild- und Stilwelten prallten aufeinander. Trump präsentierte sich im patriotischen Farben-Mix der „Stars and Stripes“: überlange knallrote Krawatte, blauer Anzug, weißes Hemd und eine Nadel mit der Nationalflagge am Revers. Seine Rhetorik war laut und aggressiv.
US-Wahl: Harris sucht laut Experte die „goldene Mitte“
Harris kam im schwarzen Hosenanzug mit Pumps. Sie trug eine weiße Bluse mit einem Halstuch, das zu einer Lavallière-Krawatte geknotet war, dazu Perlenohrringe. Am Revers steckte eine Nadel mit der US-Flagge. Ihr Haar glänzte und war leicht gewellt. An dem Abend kaufte die 59-Jährige dem Polterer vom Dienst den Schneid ab. Mal schlagfertig, mal süffisant ließ sie dessen Attacken ins Leere laufen.
„Harris will präsidial rüberkommen, sich weder zu feministisch noch zu machtorientiert darstellen. Sie sucht die goldene Mitte“, sagte Klaus Larres von der University of North Carolina in Chapel Hill unserer Redaktion.
Kamala Harris: Präsidiales Auftreten mit einer Prise Weiblichkeit
Was die goldene Mitte ist, hat bislang niemand definiert. Bei Männern, die sich für das Weiße Haus bewerben, ist die Uniform vorgegeben: dunkler Anzug, Krawatte, allenfalls ein Einstecktuch als Accessoire mit individueller Note. Aber bei Frauen? Es gibt keinen Dress-Code, weil es bislang noch nie eine Frau ins Weiße Haus geschafft hat.
Die Demokratin, so scheint es, hat ihren Stil gefunden: Die TV-Debatte gegen Trump war prägend. Bereits bei ihrer ersten Rede als offizielle Präsidentschaftskandidatin auf dem Parteitag der Demokraten im August hatte sie einen marineblauen Hosenanzug mit dunkler Bluse und Halstuch-Krawatte getragen. Präsidial, ja staatstragend sah das aus, mit einer Prise Weiblichkeit.
Ihre Hosenanzug-Kollektion variiert von Burgunderrot, Beige, Lachspink bis Babyblau. Anders als Ex-Kanzlerin Angela Merkel, deren Blazer immer eine andere Farbe hatte als ihre Hose, tritt Harris im monochromen Outfit auf.
Kamala Harris setzt andere Akzente als Hillary Clinton
Frauen mit Leitungspositionen in der Politik wie im Berufsleben müssen oft einen Spagat hinbekommen zwischen der Assoziation mit maskulinen Führungseigenschaften und der Kleidung, die die Erwartungen an traditionelle Weiblichkeit berücksichtigt. „Das nennt man eine Zwickmühle. Wie wirkt man feminin, aber nicht zu feminin?“, fragt Sparsha Saha, Politikwissenschaftlerin an der Harvard-Universität. Über Harris sagt sie: „Ihr Kleidungsstil ist genau das. Feminin, aber nicht zu feminin.“
„Ihr Kleidungsstil ist genau das. Feminin, aber nicht zu feminin.“
Harris versucht bewusst andere Akzente zu setzen als etwa Hillary Clinton, die bei der Präsidentschaftswahl 2016 gegen Trump scheiterte. Die ehemalige First Lady trat oft im weißen Hosenanzug auf – ein Anklang an die „Suffragetten“, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien und den Vereinigten Staaten für das allgemeine Frauenwahlrecht eintraten. Weiß war die Farbe der Frauenrechtlerinnen. Doch Clinton verströmte zu viel Ehrgeiz, als erste Frau in der Geschichte der USA die „Glasdecke“ zu durchbrechen und den Chefsessel im Weißen Haus zu besetzen. Zudem wirkte sie auf viele kühl und aristokratisch. Selbst etliche Feministinnen störten sich an ihrem „bossy“-Image.
Harris will gemäßigte Republikaner auf ihre Seite ziehen
Harris stellt hingegen weder ihr Geschlecht noch ihre ethnische Zugehörigkeit – ihre Mutter stammt aus Indien, ihr Vater aus Jamaika – in den Vordergrund. Sie versucht, weder schrill noch laut zu sein. Die politische Botschaft soll durch dezente Eleganz bei der Kleiderwahl flankiert werden. Alles ist Teil der politischen Choreografie in Wahlkampfzeiten. Harris will nicht nur ihre Basis mobilisieren, sondern auch Wechselwähler ansprechen und gemäßigte Republikaner auf ihre Seite ziehen.
Shauna Shames, Professorin an der Rutgers University, bringt es auf folgende Formel: Harris verknüpfe traditionelle Weiblichkeit mit wahrgenommener Professionalität, die oft als männlich und weiß kodiert werde. „Ich denke, dass es strategisch wichtig ist, den femininen Look beizubehalten und gleichzeitig eine professionelle Frau zu sein, eine Frau, die viel unterwegs ist, eine Anwältin“, betont die Harvard-Dozentin Saha. „Taff sein. Sie will all diese Dinge vermitteln, und ich denke, das ist ihr bisher sehr gut gelungen.“
Harris liebt Converse-Sneaker
Doch die Präsidentschaftskandidatin Harris ist nicht mehr die Gleiche wie die „Nur“-Vizepräsidentin Harris. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit, im Januar 2021, sorgte sie für eine Kleiderkontroverse. In Jeans und Turnschuhen prangte sie auf dem Cover der Zeitschrift „Vogue“. Kritiker fanden das Outfit zu locker und meinten, er vermittle nicht genug Respekt.
Ihre Liebe zu den jugendlichen Converse-Sneakern zeigte Harris schon lange. Als sie noch Senatorin war, vertraute sie dem „New York Magazine“ an, dass sie über eine große Sammlung an Chucks verfüge – jene Basketballschuhe, die weltweit als Mode-Artikel Karriere machten. Immer wieder wurde sie in ihren „All-Stars“ abgelichtet.
Doch diese Zeiten sind passé. Bei offiziellen Anlässen trägt Harris oft High-Heels des spanischen Schuhdesigners Manolo Blahnik, meist mit rund sieben Zentimeter hohen Absätzen. Das Amt macht den Schuh.
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