Dresden. Die CDU liegt nach ersten Zahlen nur knapp vorn. Was das für mögliche Mehrheiten heißt, blieb lange offen. Auch wegen der Linken.

Michael Kretschmer wiederholt es an diesem Tag: Diese Landtagswahl sei eine „Schicksalswahl“ für Sachsen. Es gehe um alles. Um 18 Uhr stehen deshalb Mitglieder und Funktionäre der sächsischen CDU in Raum A600 im Dresdner Landtag und starren auf die Bildschirme, über die die ersten Hochrechnungen flackern – wie auf Kristallkugeln, die ihnen die Zukunft prophezeien. Welches Schicksal erwartet Kretschmer? Und welches Sachsen?

Doch die Kristallkugel bleibt an diesem Abend vage, die ersten Zahlen beantworten die Fragen nur zum Teil. Die CDU verteidigt nach den Hochrechnungen ihren ersten Platz – doch es ist knapp, viel knapper, als es den Christdemokraten recht sein kann. Die AfD ist nur wenige Prozentpunkte dahinter. Und die Stimmanteile von Kretschmers Partei bewegen sich auf dem Niveau von 2019, damals ein historisch schlechtes Ergebnis.

Und so ist der erste Jubel bei der CDU an diesem Abend verhalten, und die Fragezeichen auf den Gesichtern bleiben. Begeisterter ist der Applaus hingegen, als Kretschmer die Bühne betritt und auf Grundlage der Hochrechnungen den Anspruch anmeldet, eine Regierung zu bilden. Die CDU sei der „Fels in der Brandung“, sagt er, man habe Sachsen Stabilität gebracht. Doch er warnt seine Partei auch: „Das wird alles nicht einfach.“

Sachsen: Wiedereinzug der Linken hängt an Direktmandaten

Kretschmer weiß genau, wie unsicher zu diesem Zeitpunkt die Zusammensetzung des neuen Landtags noch ist. SPD und Grüne, mit denen die CDU seit 2019 in der ersten Kenia-Koalition des Freistaats regiert, haben es nach den ersten Zahlen an diesem Abend erneut in den Landtag geschafft. Vor allem bei den Grünen, die im Vergleich zu den Ergebnissen vor fünf Jahren spürbare Verluste hinnehmen mussten, war das nicht garantiert.

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Eine andere Partei dagegen musste lange zittern: Erst spät am Abend bestätigte sich, dass auch die Linke wieder Teil des sächsischen Landtags sein wird. Die Partei, die hier einst immerhin ein Fünftel der Wählerinnen und Wähler auf sich vereinen konnte, blieb zwar unter fünf Prozent. Doch eine Besonderheit des sächsischen Wahlrechts rettet sie: Wie auch im Bund gilt auch hier eine Grundmandatsklausel – und zwei Direktmandate in Leipzig ermöglichen der Linken den Einzug in den Landtag. 

Koalition aus CDU, SPD und BSW könnte ins Zentrum rücken

Mit Folgen für die Koalitionsarithmetik. Mit der Linken im Landesparlament hat die bisher regierende Kenia-Koalition (ohnehin vom Ministerpräsidenten ungeliebt) keine Mehrheit mehr.

Und weil die CDU ein Bündnis mit der AfD, die in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, ausgeschlossen hat, rückt eine andere Konstellation in den Blick, die eine stabile Mehrheit hätte: CDU, SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Partei der Ex-Linken-Politikerin hat aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis geholt und ist so zum Machtfaktor in Sachsen geworden. Denkbar wäre theoretisch auch ein Bündnis aus CDU, Grünen und BSW.

„Das müssen wir alles heute Abend nicht diskutieren“, sagt Kretschmer zu den wackeligen Mehrheiten an diesem Abend. Man gehe in ergebnisoffene Gespräche. Welches Schicksal Sachsen gewählt hat, wird jetzt Gegenstand von Verhandlungen sein. 

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