Düsseldorf. Ist die Herkunft eines Tatverdächtigen für den Hergang einer Tat wirklich immer wichtig? Die Frage zielt am Hauptproblem leider vorbei.
Im vergangenen Jahr hatten knapp 35 Prozent aller Tatverdächtigen in NRW keinen deutschen Pass. Gemessen am Anteil ausländischer Menschen an der Gesamtbevölkerung ist das deutlich überproportional. Das kann man soziologisch erklären, bedauernd zur Kenntnis nehmen oder vorurteilsgeladen beklagen. Nur unter der Decke halten sollte man es nie. Das tut auch niemand, obschon Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten immerzu ein düsteres Schweigekartell aus Altparteien und Systemmedien am Werk sehen.
Vor allem die Polizeibehörden in NRW werden bei der Nationalitäten-Nennung entlastet
Wenn NRW-Innenminister Reul nun bereits in jeder Blaulicht-Meldung die Nationalität jedes Tatverdächtigen veröffentlichen will, ist das ein weiterer Versuch, den Nährboden für Ressentiments auszutrocknen. Ob das gelingen kann? Vermutlich entlastet er vor allem seine Kreispolizeibehörden, die nicht mehr selbst entscheiden müssen, ob die Herkunft wichtig ist für den Hergang einer Straftat. Das übernehmen dann noch häufiger Journalisten, die sich an ihren Pressekodex gebunden fühlen. Sie versuchen, das „höhere öffentliche Interesse“ abzuzirkeln, das die Nationalität zum Gegenstand der Berichterstattung macht. Doch sind sie allein noch Gatekeeper einer Social Media-Öffentlichkeit, in der sich Tatort-Videos längst in Echtzeit verbreiten und sich jeder im Wortsinn sein „eigenes Bild“ macht?
Bislang quält die AfD den Innenminister bei deutschen Tatverdächtigen mit Parlamentsanfragen zu deren Vornamen. Demnächst sollen vielleicht doppelte Staatsbürgerschaften ermittelt werden. Irgendwann die Herkunft der Eltern und Großeltern. Reuls Motiv ist edel, doch um es mit Einstein zu sagen: Es ist leichter einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil.