Berlin. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagt, was jetzt auf Jobsuchende zukommt – und welche Migranten er in Deutschland willkommen heißt.

Nach der Einigung ist vor dem nächsten Streit: Wie lange halten die Vereinbarungen der Ampelspitze zu Haushalt und Wachstum? FDP-Fraktionschef Christian Dürr spricht im Interview Klartext.

Nato-Länder, die nicht genug für Verteidigung ausgeben, verlieren den Schutz der USA – nehmen Sie diese Drohung von Donald Trump ernst?

Christian Dürr: Nato-Partner sollten einander nicht drohen. Tatsache ist: Diese Bundesregierung stärkt die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes. Das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, wird sogar übererfüllt. 

Tatsache ist auch: Verteidigungsminister Pistorius soll für das kommende Jahr nur 53 Milliarden Euro bekommen – fünf Milliarden weniger als gefordert. Welcher Logik folgt das? 

Um das einmal klarzustellen: Wir investieren nicht weniger in Verteidigung, sondern mehr. Wir stellen zudem eine dauerhafte Finanzierung der Bundeswehr sicher. Bis 2028 werden wir einen Aufwuchs der Verteidigungsausgaben auf 80 Milliarden Euro haben. 

Sie halten die Verärgerung des Verteidigungsministers für unbegründet? 

Man sollte das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr nicht vergessen. Jeder Minister wünscht sich natürlich immer mehr. Aber wir müssen auch dem Steuerzahler gerecht werden. 

Auch interessant

Gibt es im Bundestag noch Spielraum für eine Erhöhung des Wehretats? Oder wird an der Vereinbarung der Koalitionsspitze nicht mehr gerüttelt?

Ich bin für Überlegungen offen, aber dann muss eben an anderer Stelle gekürzt werden. Dabei ist klar: Deutschland muss verteidigungspolitisch, aber auch finanzpolitisch stabil bleiben. Änderungen bei der Schuldenbremse wird es mit der FDP nicht geben. 

Stellen Sie die Schuldenbremse über die Sicherheit des Landes?

Beides ist wichtig. Wer glaubt, dass man mit unsoliden Finanzen verteidigungsfähiger wird, hat einiges nicht verstanden. Die Politik muss lernen, mit dem Geld zurechtzukommen, das sie bekommt. Wir müssen Prioritäten setzen. Das sind Verteidigung, Innere Sicherheit, Bildung und Infrastruktur. Dafür muss dann auch mal der Sozialstaat begrenzt werden. 

Apropos: Kanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner haben die faktische Abschaffung des Bürgergeldes vereinbart. Warum geht die Ampelspitze so weit?

Wir schaffen das Bürgergeld nicht ab, wir modernisieren es. Wer im Bürgergeld ist, muss vor allem ein Ziel haben: wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Es mag Schicksalsschläge geben, und für die ist der Sozialstaat auch da. Aber ein persönliches Schicksal muss darin münden, dass man versucht, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Deswegen werden wir den Druck erhöhen. 

Lindner: Trotz Schuldenbremse kein "Sparhaushalt"

weitere Videos

    Manche Regeln sind härter als bei Hartz IV: Wer Termine beim Jobcenter versäumt, muss mit einer Kürzung des Regelsatzes um 30 Prozent rechnen. Und für einen angebotenen Job soll ein Arbeitsweg von insgesamt drei Stunden zumutbar sein… 

    Das neue Bürgergeld wird teilweise härter und vor allem treffsicherer sein als Hartz IV – mit wirksamen Sanktionen, die nicht zu absurder Bürokratie führen. Das Bürgergeld ist keine soziale Hängematte, sondern soll zur Arbeit motivieren. 

    Fehlt wirklich Druck? Die meisten Bürgergeld-Empfänger – darauf weisen Arbeitsmarktökonomen hin – machen es sich nicht bequem, sondern wollen arbeiten … 

    Wir verschärfen nicht nur Sanktionen, sondern setzen auch Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Nach dieser Reform wird das Bürgergeld besser sein als Hartz IV. 

    Was ist mit geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern? Sollen sie weiter Bürgergeld bekommen?

    Die Regelungen des Bürgergelds üben Druck aus, eine Arbeit aufzunehmen. Deswegen ist es gut, wenn Flüchtlinge aus der Ukraine in diesem System sind. Klar ist: Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich länger in Deutschland aufhalten, müssen arbeiten. Wenn die Integration in den Arbeitsmarkt scheitert, entstehen Parallelgesellschaften. 

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Die CSU will Ukrainer, die keinen Job finden, zurück in ihre Heimat schicken…

    Kriegsflüchtlinge zurück in das Kriegsgebiet zu schicken, kann nicht die richtige Antwort sein. Damit spielt man Putin in die Hände. 

    Was ist aus der Ankündigung von Kanzler Scholz geworden, Migranten ohne Bleibeperspektive „im großen Stil“ abzuschieben? 

    Wir haben 30 Prozent mehr Abschiebungen als im vergangenen Jahr und wollen noch besser werden. Das eigentliche Ziel muss sein, dass möglichst gar niemand mehr nach Deutschland kommt, der weder Anspruch auf Asyl noch einen Flüchtlingsstatus hat. Wir haben die Bezahlkarte eingeführt, und ich erwarte von den Bundesländern, dass sie das endlich umsetzen. Irreguläre Migration in die Sozialsysteme wollen wir abstellen. Und wir sehen, dass die Zahlen rückläufig sind. 

    Sind Sie dafür, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern, wie Großbritannien das mit Ruanda versucht hat?

    Der britische Weg über Ruanda birgt rechtliche Risiken, das haben Gerichte festgestellt. Ich bin aber sehr für ein rechtssicheres Drittstaaten-Modell – auch aus humanitären Gründen. Wenn Asylverfahren in Afrika stattfinden, treten viele Migranten die extrem gefährliche Route über das Mittelmeer gar nicht mehr an. 

    An welchen afrikanischen Drittstaat denken Sie?

    Am Ende müssen das Fachleute entscheiden. Unsere Botschaft lautet: Der reguläre Weg nach Europa führt über den Arbeitsmarkt. Willkommen ist, wer hart arbeitet und seinen Teil zum Wachstum in Deutschland und Europa beiträgt.

    Auch interessant

    Die Ampel plant einen Steuerbonus für ausländische Fachkräfte. Was sagen Sie deutschen Arbeitskräften, die das ungerecht finden?

    Wir entlasten die deutschen Steuerzahler in den nächsten zwei Jahren um 23 Milliarden Euro. Unsere Unternehmen, auch die mittelständischen, sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Dafür ist diese Anwerbeprämie gedacht. Ein Steuerbonus ist ein Markenzeichen von Einwanderungsländern. In den meisten europäischen Staaten gibt es das schon. 

    Zur Fußball-Europameisterschaft kontrolliert Deutschland sämtliche Grenzen – nicht nur wie bisher die zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Sollte es dabei bleiben, um irreguläre Migration zu bekämpfen? 

    Ich halte es für bedenkenswert, die Grenzkontrollen beizubehalten, die wir zur EM eingeführt haben. Die Kontrollen an deutschen Grenzen führen dazu, dass wir sehr effektiv diejenigen aufgreifen, die illegal ins Land kommen wollen. Wenn wir ein System haben, das die europäischen Außengrenzen komplett schützt, kann man die Kontrollen der Binnengrenzen wieder abschaffen. Aber vorläufig ist das ein sehr effektives Instrument.