Düsseldorf. Der ÖPNV-Sicherheitsbericht für NRW sendet eigentlich positive Signale. Wären da nicht zwei überraschend negative Entwicklungen.

In Nordrhein-Westfalens Bus und Bahnen ist es im vergangenen Jahr zu weniger Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffen gekommen. „Bahnfahren in Nordrhein-Westfalen ist sicherer geworden“, sagte Oliver Wittke, neuer Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), am Montag bei der Vorstellung des gemeinsamen Sicherheitsberichts der Regionalverbünde. Zugleich beklagte der frühere NRW-Verkehrsminister eine negative Entwicklung bei Attacken aufs Fahrpersonal und beim Schwarzfahren.

Die Anzahl der Sachbeschädigungen sei im vergangenen Jahr um 21 Prozent zurückgegangen. Bei Bedrohungen gegenüber Fahrgästen sei ein Minus von 16 Prozent zu verzeichnen gewesen, bei angezeigten Körperverletzungen ein Rückgang um 14 Prozent, lobte Wittke. Das aggressive Betteln sei sogar um 61 Prozent zurückgegangen, Verunreinigungen um zwölf Prozent. Beim Alkohol- und Drogenkonsum in Zügen und Bahnhöfen habe ein Rückgang von 31 Prozent zu Buche gestanden, so der VRR-Chef: „Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können.“

In NRW begleiten neue Sicherheitsteams das Zugpersonal im Nahverkehr

Wittke führte die positive Entwicklung auf den verstärkten Personaleinsatz zurück. „Am Ende ist der Personaleinsatz der Dreh- und Angelpunkt“, betonte der 57-jährige Gelsenkirchener. Je mehr Zugbegleiter und Sicherheitsmitarbeiter im Wagon patrouillierten, desto sicherer werde die Fahrt. Das Land finanziert neuerdings zehn Sicherheitsteams aus jeweils zwei Mitarbeitern, die vor allem in den Abendstunden und im Umfeld größerer Veranstaltungen NRW-weit im Einsatz sind.

Außerdem wurde die Videoüberwachung ausgebaut: In den Bussen und Bahnen selbst, aber auch an 40 kleineren Bahnhöfen in NRW. „Bis zum Jahresende sollen 58 weitere kleinere Bahnhöfe folgen“, kündigte Wittke an. Die Ausstattung der Sicherheitsteams mit Bodycams zeige ebenso Wirkung: „Wir würden uns wünschen, dass wir das weiter ausbauen können.“ Offenbar haben die kleinen Kameras am Revers eine disziplinierende Wirkung. Bevor die Sicherheitsteams ihre Bodycam einschalten, müssen sie dies gegenüber den Fahrgästen deutlich machen.

Angriffe auf Bahnpersonal: Tritt in den Rücken eines Zugführers zum Feierabend

Als negative Entwicklung markiert der Sicherheitsbericht hingegen die gestiegene Zahl von Übergriffen auf Zugbegleiter und Busfahrer. „Das ist ein Problem, denn die Attraktivität eines Berufs hängt auch davon ab, wie sicher sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen können“, sagte Wittke. Ein echtes Zahlenfundament gibt es für diesen Befund jedoch nicht, denn der Sicherheitsbericht kennt bislang keine eigene Rubrik „Übergriffe auf Bus- und Bahnpersonal“. Aber nahezu alle ÖPNV-Dienstleister hätten aggressives Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitern als wachsenden Problembereich markiert, so Wittke: „Das ist jedenfalls in dem Ausmaß in neues Phänomen.“

Das Unternehmen „National Express“ beklagt etwa in dem Bericht, dass sich Übergriffe „mittlerweile zu nahezu jeder Tageszeit ereignen“. So sei einem Triebfahrzeugführer nach Dienstende in den Rücken getreten worden, als er gerade die Treppe hinunter ging. Einem Kundenbetreuer seien auf dem Bahnsteig in Paderborn drei Zähne ausgeschlagen worden.

Oliver Wittke, neuer Vorstandssprecher des VRR.
Oliver Wittke, neuer Vorstandssprecher des VRR. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Zumindest in Bussen und Straßenbahnen will Wittke den Körperkontakt zwischen Fahrzeugführern und Fahrgästen künftig möglichst verhindern. Das hat auch Folgen für den Ticketkauf. „Wir werden über kurz oder lang das Bargeld aus den Verkehrsmitteln verbannen“, kündigte der VRR-Chef an. Darüber sei man im Gespräch mit den Verkehrsunternehmen, könne aber keinen bestimmten Stichtag nennen. „Aber wir wollen einen Punkt haben, zu dem wir sagen: Bis dahin müssen alle umgestellt haben.“

Schwarzfahren entkriminalisieren? VRR-Chef Wittke sieht ein völlig falsches Signal der Politik

Zum Riesenproblem wächst sich das Schwarzfahren aus. Allein bei der Straftat „Erschleichen von Leistungen“ im Schienenverkehr wurde ein starker Anstieg um 37 Prozent von gut 9000 auf gut 13.000 Fälle registriert worden. Auch beim einfachen Schwarzfahren im gesamten ÖPNV, das nur mit einem erhöhten Entgelt geahndet wurde, finden sich vergleichbare Steigerungsraten. Den Verkehrsunternehmen entsteht dadurch ein mindestens zweistelliger Millionenschaden.

Bestrebungen aus der Politik, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren und die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten, bezeichnete Wittke als „Bärendienst“. Auch NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hatte sich dafür ausgesprochen, das Erschleichen von Leistungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Wer Geldstrafen nicht bezahlen kann oder will, muss bislang eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Wittke warnte vor falsch verstandener Liberalität: Die ehrlichen ÖPNV-Nutzer müssten am Ende mit erhöhten Ticketpreisen dafür zahlen. Schwarzfahren dürfe „nicht bagatellisiert“ werden.