Dortmund. Spätestens nach dem öffentlichen Auftritt der SPD-Landeschefin Hannelore Kraft am Dienstagabend in Dortmund ist für CDU und FDP klar: Der Fall Sierau ist zum Fall Kraft geworden. Die SPD-Vorsitzende hatte den neuen Dortmunder Oberbürgermeister demonstrativ gegen Angriffe verteidigt.

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft hat mit ihrer demonstrativen Rückendeckung für den neuen OB Dortmunds, Ulrich Sierau, der Regierungskoalition Munition für harsche Attacken gegeben. CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst reagierte entsprechend: Krafts Wahlkampfauftritt am Dienstagabend in Dortmund markiere "einen moralischen Tiefpunkt". Krafts Aussage, wonach die Affäre um die Haushaltslöcher der Stadt lediglich ein "Fehler bei der Darstellung" gewesen sei, ist nach Wüsts Aussage eine dreiste Lüge.

Teil der "Vertuschungsbewegung"




Die CDU wirft der SPD-Landeschefin vor, "Komplizin beim größten kommunalen Wahlbetrug der Nachkriegsgeschichte" zu sein. Generalsekretär Wüst vermutet in einer Erklärung, Kraft selbst stecke hinter der "Vertuschungsbewegung".

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke erklärte, die Aktenlage belege klar, dass der neue Dortmunde OB Sierau frühzeitig über die Haushaltslöcher informiert gewesen sei. Es handele sich daher um klaren Wahlbetrug. Die Konsequenz müsse daher zwingend eine zügige Neuwahl von Oberbürgermeister und Stadtrat sein. Wenn sich Kraft dem widersetze, disqualifiziere sie sich für jegliche Führungsaufgaben in NRW.

"Ein anständiger Kerl"

Kraft hatte bei dem Wahlkampfauftritt mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier dem Neu-Oberbürgermeister Sierau offensiven Beistand geleistet: „Der ist ein anständiger Kerl, der sich für seine Stadt reinhängen und abrackern wird”. Kraft räumte zwar „Fehler bei der Darstellung des Haushaltsproblems” ein, benennen mochte sie sie aber nicht. Stattdessen attackierte Kraft CDU und FDP. Von einer Haushaltslüge, gar einem Wahlbetrug könne keine Rede sein. Schwarzgelb wolle sich, so Kraft, mit dieser „Schmutzkampagne” an die Macht schleichen. Vom angeblichen Wahlbetrug bleibe nichts übrig, wenn aus dem Haushaltsloch eine Haushaltsdelle geworden sei.

Kraft hatte zudem den Arnsberger Regierungspräsidenten Helmut Diegel (CDU) angegriffen. Der mache „gnadenlos CDU-Wahlkampf” und vernachlässige seine Schutzfunktion als Kommunalaufsicht. Noch bevor die Prüfung der Haushaltslage abgeschlossen sei, verbreite der Regierungspräsident Halbwahrheiten.

Diegels Arnsberger Aufsichtsbehörde hatte am vergangenen Freitag den künftigen Dortmunder Oberbürgermeister schwer belastet. Anhand von Aktenvermerken sei erwiesen, dass Sierau als Stadtdirektor schon Monate vor der Kommunalwahl von der dramatischen Schieflage des Dortmunder Haushaltes gewusst habe. Der 53-Jährige hatte lange das Gegenteil beteuert, inzwischen aber eingeräumt, die besagten Unterlagen lediglich als Prognosewerte eingestuft zu haben.