Dortmund. Danach wird sich der skandalgebeutelte Dortmunder SPD-Oberbürgermeister Ullrich Sierau schon eine Weile gesehnt haben: Rückendeckung von der Parteispitze. NRW-Parteichefin Hannelore Kraft nahm ihn öffentlich in Schutz, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gratulierte zum Wahlsieg.
Sie hat lange zu den Vorgängen in Dortmund geschwiegen. Zu lange, meinen manche. Gestern Abend jedoch kam SPD-Landeschefin Hannelore Kraft nicht mehr um das heikle Thema herum. Bei der letzten großen Wahlkampfkundgebung der SPD vor der Bundestagswahl in Dortmund stand Kraft an der Seite von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier auf dem Podium. Erstmals bezog sie öffentlich Stellung zu der sich seit über drei Wochen quälend hinziehenden Debatte um Wahlbetrug und Haushaltslüge.
Rückhalt für Sierau
Nicht ganz überraschend lautete das Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Kraft backte keineswegs kleine Brötchen angesichts des dramatischen Ansehensverlustes, den die Dortmunder Genossen hinnehmen müssen, seit der umstrittene Noch-OB Gerhard Langemeyer nur einen Tag nach der Kommunalwahl am 30. August völlig überraschend eine Haushaltssperre angekündigt und damit einen gewaltigen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte.
Kraft stärkte dem in die Krise verwickelten Neu-Oberbürgermeister Ullrich Sierau demonstrativ den Rücken. „Der ist ein anständiger Kerl, der sich für seine Stadt reinhängen und abrackern wird”, rief sie dem überwiegend SPD-nahen Publikum auf dem Alten Markt (und wohl auch Sierau unten in der ersten Reihe) zu. Kraft räumte zwar „Fehler bei der Darstellung des Haushaltsproblems” ein, benennen mochte sie sie aber nicht. Und so blieb es bei einer aggressiven Tirade gegen CDU und FDP. Von einer Haushaltslüge, gar einem Wahlbetrug könne keine Rede sein. Schwarzgelb wolle sich, so Kraft, mit dieser „Schmutzkampagne” an die Macht schleichen. Vom angeblichen Wahlbetrug bleibe nichts übrig, wenn aus dem Haushaltsloch eine Haushaltsdelle geworden sei.
Attacken gegen den Regierungspräsidenten
Scharf ins Visier nahm die SPD-Chefin den Arnsberger Regierungspräsidenten Helmut Diegel (CDU). Diegel spiele „sein eigenes Spiel”, wolle gern in Düsseldorf Minister werden und mache daher „gnadenlos CDU-Wahlkampf”. Diegel vernachlässige seine Schutzfunktion als Kommunalaufsicht und betätige sich stattdessen als „Brandstifter”. Noch bevor die Prüfung der Haushaltslage abgeschlossen sei, verbreite der Regierungspräsident Halbwahrheiten. Kraft forderte NRW-Innenminister Ingo Wolf auf, „seinen wild gewordenen Regierungspräsidenten” zurückzupfeifen.
Wie berichtet, hatte Diegels Arnsberger Aufsichtsbehörde am vergangenen Freitag den künftigen Dortmunder Oberbürgermeister schwer belastet. Anhand von Aktenvermerken sei erwiesen, dass Sierau als Stadtdirektor schon Monate vor der Kommunalwahl von der dramatischen Schieflage des Dortmunder Haushaltes gewusst habe. Der 53-Jährige hatte lange das Gegenteil beteuert, inzwischen aber eingeräumt, die besagten Unterlagen lediglich als Prognosewerte eingestuft zu haben.
Kurz durfte sich Dortmunds künftiges Stadtoberhaupt auch im Licht des Vizekanzlers sonnen. Als Steinmeier, der speziell NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) attackierte („Der feine Herr Rüttgers setzt auf ausländerfeindlichen Populismus”), die sozialdemokratischen Wahlgewinner vom 30. August von seinem Sprechzettel ablas, da galt „ein ganz besonderer herzlicher Glückwunsch Ulli Sierau.”