Berlin. Zu einem Krisentreffen hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Donnerstag Vertreter von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen nach Berlin geladen. Gegenstand der Gespräche waren die mutmaßlichen Manipulationen an den Unikliniken Göttingen und Regensburg bei der Vergabe von Spenderorganen.

Als Reaktion auf den Skandal um Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen machen sich Ärzte, Kliniken und Krankenkassen für schärfere Kontrollen stark. Bei der Anmeldung von Patienten für die Warteliste und der Zuteilung von Organen solle künftig ein "Mehraugenprinzip" verankert werden, teilte Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery am Donnerstag nach einem Krisentreffen in Berlin mit. Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin und die Organspende müsse schnellstmöglich wieder hergestellt werden, resümierte er. Dabei solle etwa ein Laborarzt kontrollieren, ob die an die Organisation Eurotransplant gemeldeten Werte korrekt seien. In den Transplantationszentren sollten dazu interdisziplinäre Konferenzen eingerichtet werden.

Ärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung machen sich als Träger der Prüf- und Überwachungskommission in einer gemeinsamen Erklärung zudem dafür stark, verdachtsunabhängige Kontrollen einzuführen. Dafür müsse Personal und Geld zur Verfügung gestellt werden. Bei nachgewiesenem schweren ärztlichen Fehlverhalten soll zudem die Zulassung ruhen oder entzogen werden.

Die Ärztekammern können dies bislang nicht selbst, sondern können dies allenfalls den staatlichen Stellen empfehlen. Weiter betonte Montgomery, als letzte Konsequenz müsse im Falle von Fehlverhalten auch die vorübergehende oder dauerhafte Schließung von Transplantationszentren möglich sein.

Veröffentlichung von Prüfberichten

Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité, Ulrich Frei, hat sich gegen eine zusätzliche staatliche Kontrolle bei der Vergabe von Spenderorganen ausgesprochen. Das Bundesgesundheitsministerium sei bereits in der Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer vertreten, sagte Frei am Donnerstag im RBB-Inforadio. Die letzte Entscheidung über eine Transplantation müsse bei den Ärzten liegen.

"In der Medizin ist am Ende immer ein Individuum betroffen. Und da wird ein staatlicher Stempel auf einer Leber auch nicht dazu führen, dass die Dinge einfacher werden", argumentierte der Direktor. Er plädiere allerdings dafür, dass die Entscheidung über die Vergabe von Spenderorganen nachvollziehbarer werde.

Spenderlebern gegen Geld

Hintergrund sind die mutmaßlichen Manipulationen in den Unikliniken in Göttingen und Regensburg. Dort sollen ausgewählten Patienten gegen Geld Spenderlebern verschafft worden sein.

Die Vereinbarung sieht auch vor, Prüfberichte zu veröffentlichen. Zudem soll das in die Kritik geratene beschleunigte Vermittlungsverfahren von Organen kritisch analysiert werden, bei dem sogenannte "schwer vermittelbare Organe" - etwa von alten Spendern - in dem jeweiligen Krankenhaus einem Patienten zugutekommen. Die Opposition hatte die rapide Zunahme dieser Transplantationen als erklärungsbedürftig bezeichnet.(dapd/Reuters)