Berlin. Im laufenden Wahlkampf für die Abstimmungen in Schleswig-Holstein und NRW ist die Linkspartei in eine Führungskrise geraten und ein Machtkampf droht. Die bisherige Parteivorsitzende hat ihr Amt wegen der Erkrankung ihres Mannes niedergelegt.
Mitten in zwei Landtagswahlkämpfen steht die Linkspartei ohne Vorsitzende da. Wenige Wochen vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist Parteichefin Gesine Lötzsch am Dienstagabend überraschend zurückgetreten. Ihr Mann Ronald Lötzsch (Jahrgang 1931) sei wegen einer "altersbedingten Erkrankung" am 31. März ins Krankenhaus gekommen, sagte Gesine Lötzsch am Mittwoch in Berlin. Sie habe schon "in der vergangenen Woche kurzfristig mehrere Termine absagen" müssen und wolle sich künftig auf ihr Mandat als Berliner Bundestagsabgeordnete konzentrieren. Zugleich bedankte sie sich bei ihrem Co-Vorsitzenden Klaus Ernst für die "vertrauensvolle Zusammenarbeit".
Ernst wird die Partei nun allein durch die Landtagswahlkämpfe
führen. Es bleibe bei der Verabredung, "dass wir alle Personalfragen
nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen
vorbereiten und auf dem Parteitag Anfang Juni entscheiden", hieß es in einer am Mittwochvormittag verbreiteten Erklärung des
Parteivorstands. Die 50-jährige Philologin aus Berlin hatte die Partei seit 2010 geführt und trotz innerparteilicher Kritik noch vor wenigen Monaten angekündigt, auf dem Parteitag in Göttingen erneut für den Vorsitz zu kandidieren. Der Partei steht jetzt eine Führungsdebatte ins Haus.
Bekannt als Einzelkämpferin
Als Lötzsch 2002 erstmals in den Bundestag einzog, war sie zusammen mit der ebenfalls direkt gewählten Petra Pau die einzige Abgeordnete der damaligen PDS, weil die SED-Nachfolgepartei an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Fortan saß Lötzsch mit Pau als fraktionslose Hinterbänklerin im Plenum und stritt sich mit dem damaligen Parlamentspräsidenten Wolfgang Thierse darüber, ob sie für ihre Akten einen Tisch haben dürfe oder nicht. Als ihre Partei 2005 in den Bundestag zurückkehrte, wurde Lötzsch Fraktionsvize und fünf Jahre später zusammen mit Klaus Ernst Parteichefin.
Lötzschs Rücktrittserklärung
"Aufgrund der Erkrankung meines Mannes habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschieden, das Amt der Vorsitzenden der Partei Die Linke niederzulegen. Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Meine familiäre Situation lässt jedoch eine häufige Abwesenheit von meinem Wohnort Berlin nicht mehr zu. Ich werde mich künftig auf mein Mandat als Berliner Bundestagsabgeordnete konzentrieren. Ich danke allen Mitgliedern der Partei die Linke, die mich in meiner Arbeit unterstützt haben und wünsche meiner Nachfolgerin Gesundheit und Erfolg."
Doch schon wenige Monate später, Anfang 2011, dachte sie öffentlich über Wege zum Kommunismus nach. Später führte Lötzsch den Mauerbau auf den Zweiten Weltkrieg zurück und sorgte mit einem Glückwunschschreiben an Kubas ehemaligen Staatschef Fidel Castro für Kritik. Die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gingen verloren, in Berlin schied die Linke aus der Regierung aus, im Saarland verlor sie fünf Prozentpunkte.
Parteiinterne Kritiker machten Lötzsch und Ernst für das schlechte Erscheinungsbild der Partei verantwortlich. Trotzdem erklärte Lötzsch, erneut für den Vorsitz kandidieren zu wollen.
Linke vor Führungsdebatte
Ihr plötzlicher Rücktritt zwingt der Partei jetzt vor den Landtagswahlen Anfang Mai eine Führungsdebatte auf. Für die Nachfolge Lötzschs muss die Linke eine Frau wählen. Wer das sein könnte, ist noch nicht abzusehen.
Auch wer die männliche Hälfte der Doppelspitze stellt, ist noch unklar. Ernst hat sich bislang nicht dazu geäußert, ob er noch einmal kandidiert. Einen Gegenkandidaten hat er aber schon. Bundestagsfraktionvize Dietmar Bartsch hatte seinen Hut schon Ende November in den Ring geworfen. Ob Ex-Parteichef Oskar Lafontaine erneut für den Vorsitz kandidiert, ist Gegenstand zahlreicher Spekulationen. Lafontaine gilt als Gegner Bartschs. Zu einer Kandidatur hat er sich bislang aber nicht geäußert. (dapd)