Düsseldorf. Forscher weisen auf Vorteile und Risiken der FFP2-Masken hin. SPD fordert, dass allen NRW-Bürgern kostenlos Masken zur Verfügung gestellt werden.
Vor der neuen Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird der Ruf nach einer FFP2-Maskenpflicht auch in NRW immer lauter. Bayern hat das Tragen von FFP2-Masken im Nahverkehr und beim Einkaufen zur Pflicht gemacht. Am Montag äußerte sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann skeptisch zu einer FFP2-Masken-Pflicht.
Ruf nach FFP2-Maskenpflicht wird lauter - Laumann zweifelt
Es sei aus seiner Sicht unzweifelhaft, dass die Masken medizinisch wirkungsvoller seien als die Alltagsmasken, sagte der Minister. Bevor eine Pflicht aber beschlossen werde, FFP2-Masken in bestimmten Bereichen zu tragen, müsse klar sein, ob sie denn auch in ausreichenden Mengen zur Verfügung stünden. „Da gibt es unterschiedliche Nachrichten“, erklärte Karl-Josef Laumann.
Schließlich müssten auch die FFP2-Masken alle paar Stunden gewechselt werden. Es dürfe nicht zu einem Engpass in medizinischen Bereichen kommen oder dort, wo FFP2-Masken aus Arbeitsschutz-Gründen notwendig seien, mahnte der NRW-Gesundheitsminister. „Man muss alles vom Ende her bedenken.“
Auch der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Hans-Albert Gehle, warnte vor möglichen Versorgungsengpässen und steigenden Preisen für FFP2-Masken im klinischen Bereich. Die Krankenhäuser wollten nicht wieder Ratschläge vom Robert Koch-Institut, wie sie ihre medizinischen Masken wegen mangelnder Vorräte aufbereiten könnten, um sie länger zu tragen.
Forscher: "Effizientestes Mittel, um sich selbst zu schützen"
"Die FFP2-Maske ist, wenn sie korrekt getragen wird, das effizienteste Mittel, um sich selbst und andere Menschen vor Viren im öffentlichen Raum zu schützen", sagte der Aerosolforscher Prof. Alfred Wiedensohler vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung dieser Redaktion.
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Der Vorstoß Bayerns, das Tragen von FFP2-Masken in bestimmten Situationen zur Pflicht zu machen, macht nach Einschätzung des Professors Sinn: "Es wäre eine große Verbesserung, wenn alle Bürger im öffentlichen Raum diese Masken tragen würden. Damit könnten wir die Kontrolle über die Pandemie zurückbekommen."
SPD will alle NRW-Bürger mit FFP2-Masken ausstatten
Die SPD-Opposition im Landtag will alle Bürger in Nordrhein-Westfalen mit FFP2-Masken auf Staatskosten ausstatten. Die SPD werde am Donnerstag beantragen, dafür eine halbe Milliarde Euro bereit zu stellen, kündigte SPD-Fraktionsvizechefin Lisa-Kristin Kapteinat am Dienstag an.
Die Gesundheitsversorgung dürfe nicht vom Einkommen abhängen. „Wir wollen, dass alle Menschen in NRW FFP2-Masken kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Das muss die Landesregierung jetzt sicherstellen – unabhängig davon, ob eine Maskenpflicht für NRW kommt oder nicht.“
SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty hatte bereits zuvor gegenüber dieser Zeitung gesagt, die NRW-Regierung sollte sich „nicht zu viel Zeit lassen“, eine Einführung der FFP2-Maskenpflicht zu prüfen. „Das muss jetzt schnell passieren und vorbereitet werden, um auch bei allen für Klarheit zu sorgen“, so Kutschaty. „Wer eine FFP2-Maskenpflicht verfügt, muss auch dafür sorgen, dass die Masken flächendeckend und vor allem kostenfrei zur Verfügung stehen“, meint der Oppositionsführer.
Warnung vor den Kosten
Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur hält eine FFP2-Maskenpflicht in Geschäften und im Nahverkehr für „generell sinnvoll“. Dieser Schutz dürfe aber keine „Frage des Geldbeutels“ sein, sagte sie der „Rheinischen Post“
Der Sozialverband VdK ermahnte die Landespolitik, im Falle einer FFP2-Maskenpflicht den relativ hohen Kaufpreis zu berücksichtigen. Im Regelsatz zur Grundsicherung seien nur rund 17 Euro für Gesundheit und Hygiene vorgesehen, so VdK-Landeschef Horst Vöge. „Selbst wenn jemand diesen Betrag nur für FFP2-Masken nutzt, wären das bei einem Einzelpreis von bis zu sechs Euro nicht einmal drei Stück pro Monat“, rechnete Vöge vor. Die FFP2-Masken sind nur eingeschränkt wieder verwendbar.
Die Linkspartei forderte einen "Corona-Zuschlag" für Menschen mit niedrigen Einkommen von 100 Euro in der Pandemiezeit. "Auch wenn die Einführung einer FFP2-Maskenpflicht zur Eindämmung der Pandemie sinnvoll sein kann, muss sichergestellt werden, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht auf den Kosten sitzenbleiben", sagten die Linken-Landeschefs Nina Eumann und Christian Leye.
SPD: FFP2-Masken für Polizei und Gerichtsvollzieher
Die SPD-Landtagsfraktion plädierte am Donnerstag dafür, Beamte "im Außendienst" mit FFP2-Masken auszustatten. „Die Polizei in NRW verfügt zurzeit nur über kleinere Bestände an FFP2-Masken", sagte SPD-Innenexperte Hartmut Ganzke unter Verweis auf einen Bericht des Innenministers. "Das bedeutet, dass unsere Beamten auf der Straße zurzeit keinen ausreichenden Schutz vor dem Corona-Virus haben. Das gilt beispielsweise auch für die rund 950 Gerichtsvollzieher, die tagtäglich im Außendienst für uns unterwegs sind", so Ganzke. (mit dpa)
Was spricht für FFP2-Masken?
„Die von vielen Bürgern genutzten Alltags- oder OP-Masken sind nur eine Art Spuckschutz, der die Emission von größeren Tröpfchen beim Ausatmen vermindert. Diese einfachen Masken schützen den Träger selbst nicht und andere Menschen nur eingeschränkt“, erklärt der Aerosolforscher Prof. Alfred Wiedensohler vom Leibniz-Institut „Tropos“. Bei den FFP2-Masken handele es sich hingegen um gute Partikelfilter. „Etwa 95 Prozent der Aerosolpartikel, die in der Luft oder in einem geschlossenen Raum sind, bleiben darin hängen“, so der Professor.
Was spricht gegen FFP2-Masken?
Ein oft vorgetragenes Argument ist, dass viele Menschen die FFP2-Masken nicht vorschriftsgemäß nutzen. „Sie sollten richtig getragen werden: FFP2-Masken müssen eng an der Haut anliegen, und es muss ein kleiner Atemwiderstand spürbar sein“, erklärt Wiedensohler. Für manche Maskenträger ist dieser Widerstand unangenehm.
Christof Asbach, Forscher aus Duisburg und Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, sagt: „Schließt die Maske nicht dicht am Gesicht ab, entstehen Leckageströmungen, mit denen Partikel - und damit gegebenenfalls auch Viren - ungefiltert entweichen. Derartige Leckagen sind beispielsweise bei Bartträgern unvermeidlich."
Für Birgit Ross, Leiterhin der Krankenhaushygiene am Uniklinikum Essen sind FFP2-Masken im Alltag nicht notwendig: "Ich gehe nicht davon aus, dass man etwa beim Einkaufen einem vergleichbaren Risiko ausgesetzt ist, wie beim direkten Umgang im Krankenhaus mit einem Corona-Patienten". Am Uniklinikum gebe es keine generelle FFP2-Maskenpflicht, sondern nur in Bezug auf bestimmte Tätigkeiten im Umgang mit Patienten. „in vielen Fällen reicht eine OP-Maske“, sagt Ross.
Was ist mit den Kosten?
Preise von FFP2-Masken variieren im Internet stark: Je nach Packungsgröße finden sich Masken zum Stückpreis von 30 Cent bis zu drei Euro. In Geschäften können sie noch teurer sein. "Es ist selbst für Fachleute eine Herausforderung, die Verkehrsfähigkeit von FFP2-Masken zu beurteilen", bemängelt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein. Auch der Duisburger Aerosol-Forscher Asbach hebt hervor, für den Verbraucher seien Qualitätsunterschiede in der Regel nicht ohne weiteres ersichtlich.
Sozialverbände wie der VdK fordern, dass besonders bedürftige Bürger kostenlos FFP2-Masken bekommen sollten. „Es kann und darf nicht sein, dass beispielsweise Alleinerziehende, die ohnehin schon am Existenzminimum leben, einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind“, mahnt VdK-Landesvorsitzender Horst Vöge. Außerdem müsse verhindert werden, dass Betroffene nicht in den Supermarkt dürfen, weil sie sich keine FFP2-Masken leisten können.
Woran erkenne ich gute FFP2-Masken?
Das NRW-Gesundheitsministerium nennt diese Merkmale: Angabe des Herstellers und eindeutige Kennzeichnung des Modells; Klassenbezeichnung „FFP2“; CE-Kennzeichnung, Kennzeichnung NR (not reusable = nicht wiederverwendbar) oder R (reusable = wiederverwendbar), Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache; eine vierstellige Kennnummer gibt Auskunft darüber, welche Prüfstelle die Qualität der FFP2-Masken überwacht. In der NANDO-Datenbank der Europäischen Union kann man sich mit Hilfe der Kennnummer die entsprechende Prüfstelle anzeigen lassen.
Kann man diese Masken mehrmals verwenden?
Sie sind in der Regel für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Forscher der FH Münster sagen, dass man sie bis zu fünf Mal eine Stunde lang bei 80 Grad im Ofen desinfizieren kann. Andere Experten empfehlen elektrische Reiskocher (50 Minuten bei 100 Grad). Wer sicher gehen will, nutzt die Maske nicht mehrmals.
Gibt es genug FFP2-Masken für alle?
Nicht überall. Und die Einführung einer FFP2-Maskenpflicht dürfte die Nachfrage drastisch erhöhen. Gesetzlich und privat Krankenversicherte über 60 Jahre und Risikopatienten sollen in diesen Tagen zwei fälschungssichere Coupons für jeweils sechs Masken erhalten. Diese können sie in Apotheken einlösen. Die Anspruchsberechtigten zahlen pro eingelöstem Coupon einen Eigenanteil von zwei Euro hinzu. Allerdings verzögert sich die Auslieferung der Coupons, weil der Bund im Moment nicht genügend produzieren kann.