Düsseldorf. Wutrede des Heinsberger Landrats Pusch und Abgesang des Landkreistages auf Warn-App beleuchten Verdruss über Krisenmanagement.
Die Unzufriedenheit vieler Kommunalpolitiker mit dem Corona-Management von Bundes- und Landesregierung wächst. Für Aufsehen sorgte in Düsseldorf am Freitag eine zwölfminütige Wutrede des Heinsberger Landrats Stephan Pusch (CDU), die er im Netz veröffentlicht hatte. Darin attackierte Pusch unter anderem Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der die chaotisch verlaufene Vergabe von Impf-Terminen an Menschen über 80 Jahre zu Wochenbeginn als „gelungenen Start“ bezeichnet hatte.
Es sei „ein reines Ablenkungsmanöver“, wenn Regierungsstellen sagten, es sei doch „alles optimal gelaufen“, sagte Pusch. „Da habt ihr alle mal euer Ohr nicht an der Basis und wisst nicht, was bei den Bürgern los ist.“ Pusch berichtete von tragischen Szenen in seiner Kreisverwaltung: „Hier rufen Leute bitter weinend an.“ Der für sein resolutes Krisenmanagement mit den Bundesverdienstkreuz geehrte und bei der Kommunalwahl 2020 mit fast 80 Prozent wiedergewählte Landrat warf der Landesregierung unverhohlen schlechte Planung vor: „Wenn man doch wochenlang Zeit hatte und weiß, dass es hier nicht um die Vergabe von Theaterkarten geht, sondern darum, dass Leute Angst haben, keinen Impftermin zu bekommen, weil sie um ihr Leben fürchten, dann muss ich sagen, ist das sehr bescheiden, was da aufgesetzt worden ist.“
"Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt"
Laschet hatte das Zusammenbrechen von Hotlines und Online-Plattformen als unvermeidliche Begleiterscheinung („ist doch logisch“) bei der Terminvergabe an landesweit rund eine Million Bürger über 80 bezeichnet.
Pusch zeigte auch für die Probleme bei der europäischen Impfstoff-Beschaffung und Lieferengpässe wenig Verständnis: „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt.“
Landräte: Corona-WarnApp ist gescheitert
Bei einer Klausurtagung des Landkreistages mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bemängelten Kommunalvertreter die noch immer schlechte Digitalisierung der Kontaktnachverfolgung bei Corona-Infizierten. „Der Bund muss einsehen, dass die Corona-WarnApp gescheitert ist“, sagte der Präsident des Landkreistages NRW, Landrat Thomas Hendele (Kreis Mettmann). Die über 20 Millionen Downloads hätten praktisch keinen wirksamen Effekt. „Die App muss neu gedacht werden, und zwar so, dass sie einen wirklichen Nutzen bringt“, so Hendele. Die Kommunen und Kreise fordern schon länger eine „Tracing App“, mit der Infizierte ihre Daten unmittelbar zur Nachverfolgung ihrer Kontaktpersonen für die Gesundheitsämter freischalten können.
Die SPD-Opposition im Landtag mahnte die Landesregierung, auf die Kompetenz vor Ort zu vertrauen: „Die wahren Krisenmanager sind die Verantwortlichen in den Kreisen und kreisfreien Städten. Auf ihren Rat und ihre Hinweise sollte die Landespolitik stärker hören.“