Erfurt. Erklärungsversuche auf der einen Seite, Empörung auf der anderen: Die Unterbringung von BKA-Gästen in einem als Neonazi-Treffpunkt bekannten Hotel in Thüringen wird wohl ein Nachspiel im Land- und Bundestag haben. Die Grünen wollen eine Anfrage zum Thema an die Bundesregierung stellen.

Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Kirchheim im Ilmkreis mochte es gestern
kaum fassen. „Mächtig sauer“ sei er, sagte Hans-Jürgen
Langer (Freie Wähler), und „sehr enttäuscht.“ „Dass die Polizei nicht überprüft, wo sie übernachtet, kann
ich nicht verstehen.“ Er habe immer geglaubt, dass Sicherheitsbehörden
miteinander reden würden.

Doch genau dies geschah im vergangenen September offenkundig nicht, als der
Papst Thüringen besuchte. Wie der MDR gestern berichtete, logierten Beamte des
Bundeskriminalamtes (BKA) in einem Gasthof in Kirchheim
, der regelmäßig von der
NPD und anderen neonazistischen Gruppierungen für Veranstaltungen genutzt
wird.

"Meistbesuchter Neonazi-Veranstaltungsort in Thüringen"

Thüringer Verfassungsschutz und die Landespolizei sind über das Hotel seit
Langem im Bilde. Bei Protestdemonstrationen in Kirchheim wurden mehrere
Großeinsätze durchgeführt, zuletzt im vorigen Dezember beim gemeinsamen
Bundesparteitag von NPD und DVU.  Das Bündnis gegen Rechtsextremismus „Mobit
reagierte empört. Neben rechtsradikalen Parteien hätten neonazistische
Konzertveranstalter, die rechtsextrem unterwanderte Schlesische Jugend und die
Gesellschaft für freie Publizistik die Kirchheimer Herberge genutzt. „Mobit“-Sprecher Stefan Heerdegen sagte,
es sei skandalös, „wenn eine Polizeibehörde des Bundes
sich ausgerechnet im mit Abstand meistbesuchten Neonazi-Veranstaltungsort in
Thüringen“ einmiete.

Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden bestätigte gestern der "Thüringer Allgemeinen" (TA), dass
mehrere Beamte am 23. und 24. September in dem Hotel untergebracht waren.
Allerdings sei man sich keines Fehlers bewusst, sagte eine Sprecherin. Es sei
„nicht üblich, Hotels einer Tiefenprüfung zu
unterziehen“, erklärte sie. Schließlich sei Deutschland „kein Überwachungsstaat“. Sowieso, sagte die BKA-Sprecherin, erledige stets das Bundesverwaltungsamt
in Köln die Buchungen.

Zweite Panne innerhalb kurzer Zeit

Dort hieß es wiederum, man habe auf das Angebot des
Internet-Hotelportals HRS und die dortige Beschreibung zurückgegriffen. Eine
„weitergehende Überprüfung“ erfolge „grundsätzlich nicht“. Das Thüringer Innenministerium teilte der TA mit, man sei mit der
Buchung nicht befasst gewesen. Auch hätten Landesbeamte nicht in dem Hotel
übernachtet. Auf die Frage, ob man bei den zahlreichen Lagebesprechungen im
Zusammenhang mit dem Papstbesuch nicht auch solche Fragen hätte klären können,
sagte der Ministeriumssprecher, dies wolle er „nicht
kommentieren“.

Die Regierungspartei CDU wirkt von dem Vorgang peinlich berührt. Es sei
„absolut unglücklich darüber, dass die Dienste in so
einer Frage nicht miteinander reden“, sagte der innenpolitische
Fraktionssprecher Wolfgang Fiedler. Allerdings liege der Fehler beim Bund.

Die Affäre beschäftigte inzwischen auch die Bundespolitik. Die
Grünen-Fraktion im Bundestag kündigte an, eine Anfrage zu dem Thema an die
Bundesregierung zu stellen.  Die Thüringer Linke wird bei der Landesregierung vorstellig. Fraktionsvize
Marina Renner sagte, sie wolle auch eine Stellungnahme zu Vorwürfen, wonach die
Polizeiführung eigene Beamte während des Papstbesuchs per Video überwachte.
 Der Kirchheimer Hotelier Rainer Kutz mag „die
irrsinnige Aufregung“ nicht verstehen: „Bringen wir
Neonazis unter, regen sich alle auf. Und wenn die Polizei bei uns unterkommt,
ist das plötzlich auch falsch.“ Für die Innenbehörden ist dies schon die zweite derartige Panne binnen
kurzer Zeit. Mitte Oktober war bekannt geworden, dass das Land das Rittergut
Guthmannshausen nahe Erfurt an Investoren verkauft hatte, die mutmaßlich
rechtsextremen Vereinigungen nahestehen.