Düsseldorf. .

Ärzte in Krankenhäusern sind permanent überlastet. Bei Arbeitsschutz-Kontrollen in NRW wurden in diesem Jahr 100 Verstöße festgestellt. Eine junge Ärztin berichtet.

Sie hat einen „Traumberuf”, kann aber nachts nicht schlafen. Sie will Kranke gesund machen, und findet kaum die Zeit, mit ihnen mal ein Wort zu wechseln. Sie will ihren Namen nicht sagen. Wir nennen sie Tanja Wagner.

Die 30-Jährige ist Assistenzärztin an einer der Uni-Kliniken in NRW. In ihrem Arbeitsvertrag steht etwas von einer 42-Stunden-Woche. „50 bis 55 Stunden sind aber normal”, sagt sie. 250 Überstunden hat Tanja Wagner derzeit auf ihrem Arbeitszeitkonto. Das ist die offizielle Zahl. „Tatsächlich dürften es 100 mehr sein”, erzählt die Ärztin. Ehrlichkeit wird hier nicht honoriert. Und am Ende sind es doch nur Zahlen: „Freizeitausgleich ist praktisch unmöglich, und Auszahlen klappt nur nach mehrfachem Anmahnen.” Ursache für die Verstöße sei der chronische Ärztemangel. „Es wird einfach mit zu wenig Personal kalkuliert”, sagen Insider. Dem Marburger Bund zufolge fehlen an den Kliniken in NRW 1500 Mediziner.

„Den Assistenzärzten geht es besonders schlecht. Sie haben in der Regel Zeitverträge, sie haben die wenigsten Rechte und können sich schlecht wehren. Viele Assistenzärzte müssen während ihrer Facharztausbildung promovieren, was sie zusätzlich unter Druck setzt”, weiß Burkhard Klein, wissenschaftlicher Personalrat an der Uniklinik Bonn. Er sagt: „Die Situation in den Kliniken ist heute noch schlimmer als vor 20 Jahren. Denn die Ärzte müssen in ihrer Arbeitszeit heute mehr leisten, die Anforderungen sind höher.”

Permanent müde, immer zu wenig Schlaf

Tanja Wagner will den Anforderungen genügen. Sie hat einen Freund, aber der weiß nie, wann sie nach Hause kommt. Verabredungen mit Freunden kann die junge Frau selten einhalten. Sie ist permanent müde, findet nicht mal die Zeit zum Lesen. „Als Assistenzarzt arbeitest du wie eine Maschine, und du hast immer eine bis zwei Stunden Schlaf zu wenig.” Klinik-Ärzte dürfen selbst nie krank werden. Wenn es doch mal passiert, wird die Erkrankung einfach ignoriert. „Ich bin auch schon mit Brechdurchfall zum Dienst gegangen”, versichert Wagner.

Sie würde gerne eine „freundliche Medizin“ praktizieren. Die geht aber über ein flüchtiges Lächeln am Krankenbett nicht hinaus. Wagner spricht vom „Abarbeiten” der Patienten. In kleinen, kommunalen Häusern auf dem Lande sei alles noch viel schlimmer, „katastrophal” sogar, versichert ein Personalrat.

Kliniken auf dem Land chronisch unterbesetzt

Kliniken seien chronisch unterbesetzt. „Da halten dann alle zusammen und helfen sich gegenseitig, auch wenn das außerhalb der Arbeitszeit ist”, sagt Wagner. Arbeitnehmervertreter bemängeln: Personalkalkulationen würden meist gemacht ohne daran zu denken, dass ein Arzt zwischendurch auch mal Urlaub macht.

In zwei Jahren wird Wagner ausgebildete Fachärztin sein. Dann wird alles besser, hofft sie. „Viele Kollegen haben diese Hoffnung längst verloren. Sie verabschieden sich ins Ausland. Die Schweiz ist beliebt, die Niederlande, Großbritannien oder Australien”, erzählt Tanja Wagner. Ärzte aus Deutschland sind offenbar begehrt. Nur nicht im eigenen Land.