Berlin.. Abgeordnete und Mitarbeiter der FDP im Bundestag räumen ihre Büros. Ihre Zukunft ist ungewiss. Der Abschied fällt den Betroffenen schwer - und dann müssen sie auch noch Häme und Spott ertragen. Das Parlament verliert Sachverstand und Kompetenz.
Sonntagabend hat er seinen Job verloren. Zehn Jahre war er dabei. Michael Kauch zog 2003 für die FDP in den Bundestag, nach Jürgen Möllemanns Tod. Der Dortmunder ist keiner von diesen Liberalen, die nur über Steuersenkungen reden. Der 46-Jährige ist ein Bürgerrechtler, der sich für die Homo-Ehe und den Patientenschutz eingesetzt hat - auch über Parteigrenzen hinweg. Damit ist jetzt Schluss.
Die Liberalen packen die Koffer. Eine Fraktion löst sich auf. Nach dem Schock am Wahlabend wird jetzt der FDP-Betrieb im Bundestag abgewickelt. Rund 500 Mitarbeiter müssen sich neue Jobs suchen, aber die Folgen reichen noch weiter: Die Wähler haben nicht nur Brüderle, Rösler & Co. aus dem Parlament geworfen, sondern mit der Fraktion auch ein über Jahrzehnte entwickeltes Kraftwerk aus Werten, Wissen und Erfahrung bis auf Weiteres vom Netz genommen.
Gerlinde Schwarz zum Beispiel, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Seit drei Legislaturperioden ist die Mittvierzigerin Büroleiterin eines FDP-Abgeordneten, ihr Mann arbeitet als Fachmann für die Fraktion. Relativ sichere Jobs, bis jetzt. Am Wahlabend – das doppelte Aus.
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Das Ende einer Fraktion trifft nicht nur gut dotierte Abgeordnete, und auch nicht nur das Heer von jungen Hilfskräften, frisch von der Uni. Manche Mitarbeiter waren schon zu Bonner Hauptstadtzeiten dabei, haben Familie, haben sich auf die FDP verlassen.
„Ich bin wie ein Krebs in seinem Panzer“, sagt eine Mitarbeiterin
Die Stimmung in vielen Büros ist düster. „Ich bin wie ein Krebs in seinem Panzer“, sagt eine ältere Fraktionsmitarbeiterin trotzig. Die Mitarbeiter auf den Fluren der Abgeordneten sind genervt, weil jetzt die Kamerateams über die Gänge schleichen und nach Tränen suchen. „Wenn das Interesse an unseren Inhalten mal nur halb so groß gewesen wäre“, ärgert sich ein liberaler Büroleiter. Leichenfledderei, fällt ihm dazu ein. Und dazu Häme und Spott und aufgewärmte Witze: „Was unterscheidet die FDP von einem Smart? Ein Smart hat mehr Sitze.“ Das FDP-Geläster ist nicht neu, aber es tut ihnen diesmal besonders weh.
Ein paar Türen weiter arbeitet eine junge Kollegin, die gerade aus dem Mutterschutz zurückgekommen ist. Im festen Glauben an vier sichere Jahre – inklusive guter Kinderbetreuung. In der Bundestags-Kita haben Mitarbeiter bei der Platzvergabe Vorrang vor Abgeordneten. Daraus wird nun nichts.
Das Wahl-Fiasko der FDP
Und freie Jobs im Bundestag sind rar. Denn auch bei den anderen Fraktionen werden Stühle gerückt, die Alten gehen, die Neuen kommen, ganze Büroteams werden auf die Straße gesetzt. „Die Solidarität unter uns ist groß“, sagt Anna Bleser, Mitarbeiterin des ausscheidenden Dortmunder CDU-Abgeordneten Erich G. Fritz. Bleser weiß: Es hätte sie auch selbst treffen können. Kein Vertrag dauert hier länger als vier Jahre. Doch Fritz’ Nachfolger will wohl das Team übernehmen. Für Leute vom FDP-Flur jedenfalls ist kein Platz.
Steile Karriere – vom Wähler zu Fall gebracht
FDP-Mann Michael Kauch sucht jetzt bei Verbänden und Unternehmen nach Jobs für seine vier Leute. Und für sich selbst? Schnellschüsse bei der beruflichen Neuorientierung will er nicht. „Abgeordneter im Wartestand“ sein, aber auch nicht. Und was, wenn es bald Neuwahlen gibt und die Liberalen schnell zurück in den Bundestag kommen? „Das ist im Moment alles bloß Spekulation.“ Der Volkswirt will jetzt schauen, „wo man die Dinge, die man gelernt hat, unterbringen kann“. Ein Kapital, das dem Parlament verloren geht.
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Kauchs Fraktionskollege Johannes Vogel ist erst seit vier Jahren dabei. Erst war der Sauerländer Vorsitzender der Jungen Liberalen, mit 27 dann Bundestagsabgeordneter, zuletzt arbeitsmarktpolitischer Sprecher. Eine steile FDP-Karriere, vom Wähler genauso steil wieder zu Fall gebracht.
Um die Zukunft seiner Leute macht sich der Liberale aus Olpe keine Sorgen: „Jeder einzelne ist jung, trotzdem schon sehr erfahren und ausgezeichnet qualifiziert.“ Und seine eigene Lage? Vogel zuckt die Achseln. Der Rauswurf aus dem Bundestag sei schon „eine herbe Enttäuschung“. Aber: „Ich bin 31“, sagt Vogel. „Ich hatte nun vier Jahre einen großartigen Job mit viel Verantwortung, auch für Personal.“
Heißt: Um diesen Mann muss man sich keine Sorgen machen.