Essen. Sportmanager Michael Mronz über durchkreuzte Bewerbungspläne der Rhein-Ruhr-Region, Spiele 2036 und den Zeitpunkt einer Abstimmung.

Der Traum von Olympischen Spielen 2032 in Nordrhein-Westfalen scheint ausgeträumt, bevor die „Rhein-Ruhr-City“ überhaupt erst richtig gestartet ist. Wie es nun weitergehen soll, haben Andreas Tyrock, Peter Müller und Tobias Blasius den für die Bewerbung verantwortlichen Sportmanager Michael Mronz gefragt.

Ihre Initiative „Rhein-Ruhr-City 2032“ ist von der IOC-Vorentscheidung für Brisbane kalt erwischt worden. Seither ist von einem „Bewerbungsdebakel“ die Rede. Waren Sie zu blauäugig?

Nein, wir waren nicht blauäugig. Es gab keine belastbaren Informationen, dass frühzeitig eine Vorentscheidung zugunsten Brisbanes getroffen werden könnte. Das hat nicht nur uns überrascht, sondern auch Länder wie China, Indonesien oder Ungarn, die sich ebenfalls für die Ausrichtung der Spiele 2032 interessierten.

Ein schwacher Trost…

Gerade die Chinesen, die schon erfolgreiche Olympia-Bewerbungsverfahren hinter sich haben, wären nicht noch im November ins Rennen eingestiegen, wenn sie es nicht für offen gehalten hätten. Es gab für uns keinen Grund, vom Fahrplan abzurücken, den wir zwischen den Kommunen, der Landespolitik und dem Deutschen-Olympischen Sportbund verabredet hatten.

War es in der Sportwelt nicht ein offenes Geheimnis, dass Brisbane Favorit ist?

Wenn Sie nur auf das Gerede in der Sportwelt hörten, könnten Sie nie eine seriöse Bewerbungskampagne planen. Vor drei Jahren wurde überall erzählt, Nord- und Südkorea wären als gemeinsamer Ausrichter der Favorit, weil das IOC angeblich den Friedensnobelpreis bekommen wolle. Dann hieß es, Doha wäre Favorit. Uns war klar, dass auch Brisbane ein starkes Konzept hat.

Was bleibt jetzt übrig noch von Ihrer Bewerbung?

Die Grundidee von ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Spielen mit der Nutzung von 90 Prozent vorhandener Sportstätten an Ruhr und Rhein bleibt richtig. Auch der übergeordnete Gedanke, der stets im Mittelpunkt stand, mit dem Bewerbungsprozess Themen wie vernetzte Mobilität oder den ökologischen und digitalen Transformationsprozess in der Metropolregion voranzutreiben, ist unabhängig vom Austragungsdatum.

Wollen Kommunen und Sponsoren weitermachen?

Die Signale sind sehr positiv. Der Bewerbungsprozess hat dem Sport in Nordrhein-Westfalen mit seinen fünf Millionen Mitgliedern und 19.000 Vereinen schon jetzt gut getan. Die Landesregierung hat allein 300 Millionen Euro in das kommunale Sportförderprogramm „Moderne Sportstätten 2022“ gesteckt. Außerdem ist es gelungen, dass die Städte im Ruhrgebiet und im Rheinland über den Sport vom Ich zum Wir gefunden haben: Hinter der „Rhein-Ruhr-City“ können und wollen sich alle ohne lokale Eifersüchteleien versammeln. Das ist bereits heute ein Erfolg aller Beteiligten.

Ist es wirklich sinnvoll, dass der DOSB offizielle Bewerbungsunterlagen für die Rhein-Ruhr-City beim IOC einreicht?

Beim Fußball würde man sagen: Es steht 2:4 und es läuft die 85. Minute. Das IOC hat mit Brisbane noch keinen Vertrag über Olympia 2032 abgeschlossen. Ich finde, wie sollten unser Angebot in jedem Fall aufrecht halten. Wir gehen vom Platz, wenn das Spiel abgepfiffen ist. Für eine Olympia-Bewerbung braucht man langen Atem. Paris, Tokio, Peking oder Athen mussten sich auch mehrfach bewerben, bevor sie den Zuschlag bekommen haben. Wir an Ruhr und Rhein wissen, mit Rückschlägen umzugehen.

Wäre 2036 als Ausweichtermin international vermittelbar - 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin?

Das gilt es gesellschaftspolitisch zu diskutieren. Wenn Sie mich persönlich fragen: Wo könnte sich das moderne Deutschland 2036 besser der Welt zeigen als im größten Ballungsraum Europas, in dem jeder dritte Einwohner Zuwanderungsgeschichte hat? Deutschland wird sich der historischen Debatte über den Missbrauch der olympischen Idee durch die Nationalsozialisten 100 Jahre zuvor so oder so stellen müssen. Mit unserer Bewerbung könnten wir die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sehr bewusst führen.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann ist skeptisch…

Er hat seine persönliche Skepsis zum Ausdruck gebracht, aber zugleich deutlich gemacht, dass es im DOSB auch andere Auffassungen gibt. IOC-Direktor Christophe Dubi hat uns sogar ausdrücklich ermuntert, 2036 in Betracht zu ziehen.

Hat die Rhein-Ruhr-Initiative ihre Hausaufgaben gemacht?

Wir hatten mit den Kommunen einen klaren Fahrplan für die Bürgerbeteiligung verabredet. In Ratsbürgerentscheiden sollten die Menschen im Herbst parallel zur Bundestagswahl über Olympia abstimmen – mit exakten Budgetplänen für jede beteiligte Stadt und einem transparent ausgearbeiteten Finanzierungskonzept zur Durchführung der Spiele. Es spricht aus meiner Sicht vieles dafür, an der Abstimmung im Zuge einer Wahl, wie einer Bundes- oder Landtagswahl, festzuhalten, um bei einer großen Beteiligung grundsätzlich über das Dekadenprojekt Olympia abstimmen zu lassen.

Sie hatten doch noch nicht einmal ein Olympia-Stadion…

Das stimmt nicht. Es waren mehrere Modelle in der Planung. Dazu gehörte ein temporäres Leichtathletik-Stadion wie 2018 in Pyeongchang, aber auch der Umbau eines bestehenden Fußball-Stadions zu einer Multifunktionsarea wie das Stade de France in Paris, wo sich mit verschiebbaren Tribünen Platz für Laufbahnen schaffen lässt.

Kann man mit dem willkürlichen IOC-Vergabeverfahren vernünftig planen?

Das neue Bewerbungsverfahren des IOC im Dialog mit einem potenziellen Ausrichter hat den Vorteil, dass es deutlich kostengünstiger ist. Früher hatte man bis sieben Jahre vor der Ausrichtung sechs Kandidaten, von denen fünf leer ausgingen. Ich würde mir allerdings einen transparenten Termin wünschen, bis zu dem Bewerbungen eingereicht werden müssen. Sonst haben Staaten, die ihre Bürger einbinden und auch konkret über die finanziellen Belastungen informieren wollen, einen klaren Nachteil.

Werden Sie im Sommer zu den Spielen nach Tokio reisen?

Ich weiß es noch nicht. Ich hatte eine Informationsreise nach Japan geplant, will aber unter Corona-Bedingungen dort niemandem den Platz wegnehmen, der für die Athleten wichtig ist.