Berlin. Merkel oder Steinbrück? Weiter mit Schwarz-Gelb? Doch wieder eine große Koalition? Oder ein ganz neues Bündnis? Die letzten Umfragen vor der Bundestagswahl prognostizieren ein sehr knappes Kopf-an-Kopf-Rennen der politischen Lager. Außerdem wird Kritik an der Umfrageritis laut.

Zwei Tage vor der Bundestagswahl sorgen neue Umfragen noch einmal für Wirbel innerhalb der Parteien. An der politischen Stimmung im Land hat sich den Erhebungen zufolge aber kaum etwas geändert: Schwarz-Gelb und die Oppositionsparteien liefern sich demnach weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Offen ist auch, ob die eurofeindliche Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) den Sprung in den Bundestag schaffen wird. Kritik an den Meinungsforschungsinstituten äußerte am Freitag Bundestagspräsident Norbert Lammert, weil das ZDF erstmals in der Woche vor der Wahl eine Umfrage veröffentlichte.

"Die täglichen Wasserstandsmeldungen der jeweils neuen Ergebnisse bis zum Wahltag halte ich nicht für eine Errungenschaft", sagte der CDU-Politiker. Es bestehe die Gefahr einer "Verwechslung von Umfragen und Wahlergebnissen". Das ZDF hatte am Donnerstagabend sein Politbarometer veröffentlicht und brach damit mit der Tradition, wenige Tage vor der Wahl keine Umfragen mehr zu verbreiten. Der Sender begründete dies auch damit, dass die Bayern-Wahl am vergangenen Sonntag erhebliche Verschiebungen in der politischen Stimmung zur Folge hätte haben können. Die ARD indes verzichtet auf die Veröffentlichung weiterer Umfragen diese Woche.

Abweichungen von mehreren Prozentpunkten sind weiterhin möglich

Insgesamt 61,8 Millionen Bundesbürger entscheiden an diesem Sonntag, wer in Berlin künftig regiert. Nach allen Umfragen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gute Aussichten, vier weitere Jahre im Amt zu bleiben - aber möglicherweise mit einem neuen Partner. Die amtierende Koalition aus Union und FDP steht nach den letzten Zahlen sehr auf der Kippe. Möglich wäre auch die Neuauflage einer großen Koalition oder erstmals Schwarz-Grün. Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt die SPD aus.

Nach den jüngsten Umfragen gibt es zwischen dem aktuellen Regierungslager und der jetzigen Opposition im Bundestag praktisch ein Patt. Das letzte ZDF-"Politbarometer" vor der Wahl sowie eine RTL-Umfrage sehen die Union bei 40 Prozent, die FDP bei 5,5 beziehungsweise genau 5 Prozent. Die SPD kann laut "Politbarometer" auf 27 (RTL: 26) Prozent hoffen, die Grünen auf 9 (9) und die Linke auf 8,5 (9) Prozent. Die Euro-Gegner von der Alternative für Deutschland (AfD) würden mit 4 oder 4,5 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Alle Beteiligten weisen jedoch darauf hin, dass solche Zahlen keineswegs das Wahlergebnis vorwegnehmen. Immer noch sind Abweichungen von mehreren Prozentpunkten nach oben und unten möglich, was die Gewichte völlig verschieben kann. Zudem sind viel mehr Deutsche als bei früheren Bundestagswahlen noch nicht sicher, wem sie am Sonntag tatsächlich ihre Stimme geben.

Wahlkampf bis zur letzten Minute

Die Parteien machen deshalb Wahlkampf bis zur letzten Minute. Auch Merkel und Steinbrück haben für Samstag nochmals mehrere Veranstaltungen geplant. Jetzt wird vor allem um die sogenannte Zweitstimme gebuhlt, die die Wahl letztlich entscheidet. Insbesondere die FDP setzt darauf, dass Merkel-Anhänger für sie stimmen, damit sie im Bundestag bleibt und Schwarz-Gelb weitermachen kann.

Die Union will das Bündnis mit der FDP ebenfalls fortsetzen, wehrt sich aber gegen die Zweitstimmenkampagne des bisherigen Partners. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mahnte die FDP in der "Welt", "sich nicht gegenseitig die Stimmen streitig zu machen". Merkel bat ebenfalls mehrfach um beide Stimmen für die Union. Die Zweitstimme ist noch wichtiger als früher, weil Überhangmandate für gewählte Direktkandidaten nach dem neuen Wahlrecht im Bundestag ausgeglichen werden. Davon profitieren vor allem die kleineren Parteien.

Gehen junge Menschen zur Wahl?

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"Diejenigen, die über ein Stimmrecht verfügen, können unerwünschte Parteien ausschließen." Annika Koch (17), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Wenn man sich über die Parteien und Ziele informiert hat, sollte man sich an der Wahl beteiligen." Nina Schnabel (17)aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Zwar sind es noch fünf Jahre bis zu meinem Stimmrecht, aber ich werde es dann auch nutzen. "Joel Bressler (13), Iserlohn © IKZ | IKZ
"Da ich eine aktive Bürgerin sein will, werde ich wählen gehen, wenn ich volljährig bin." Aleksandra Djordjevic (16), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Da ich mich nicht für die Politik in Deutschland interessiere, werde ich auch nicht wählen gehen." Jouleen Bressler (17), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Ich bin interessiert am Schaffen der Parteien in Deutschland, deswegen werde ich mit 18 wählen." Abdssamad Arrahay (16), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Als potenzielle Wählerin habe ich noch keine Ahnung, ob ich irgendwann mal wählen soll." Angelina Bayer (14), aus Grafschaft © IKZ | IKZ
"Wenn ich wahlberechtigt bin, sollen meine Bedürfnisse umgesetzt werden. Dann werde ich wählen." Celine Tiedge (14), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Wenn man nichts macht, kann man auch nichts ändern. Also sehe ich das Wählen als meine Pflicht an." Karoline Kaluza (26), aus Menden © IKZ | IKZ
"Ich finde es allgemein wichtig, dass man in dem Land, in dem man lebt, mitbestimmt." Kira Riepe (21),aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Ich weiß noch nicht, ob ich wählen gehe. Ich habe mich noch nicht mit den Programmen beschäftigt." Marius Riepe (20), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Ohne wählen zu gehen, kommen die Parteien an die Spitze, die man dort nicht sehen will." Jens Klinkhammer (20), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Die Chance, seine Stimme abzugeben, sollte man nutzen. Das war in Deutschland nicht immer der Fall" Denise Pühl (18), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"In anderen Ländern kann man gar nicht erst wählen. Also gebe ich hier erst recht meine Stimme ab." Lena Pühl (18), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Meine Stimme kann das gesellschaftliche Miteinander beeinflussen. Jede Stimme zählt." Rebecca Jonas (21), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Durch meine Stimme entscheide ich politisch mit, was für die Allgemeinheit gültig wird." Devin Turcan (22), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"All diejenigen, die nicht wählen gehen, dürfen sich nach den Wahlen nicht beschweren." Tobias Busch (21), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Zwar weiß ich noch nicht eindeutig welche Partei ich wählen werde, aber meine Stimme werde ich abgeben." Sebastian Overkamp (21), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Nur mit abgegebener Stimme kann man seine politischen Ziele auch in Zukunft erreichen." Valerie Pielsticker (17), aus Iserlohn © IKZ | IKZ
"Es ist wichtig, zukunftsorientiert zu handeln, denn die Wahlen gehen uns alle etwas an." Melanie Voß (20), aus Hagen © IKZ | IKZ
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SPD und Grüne streben - wie zwischen 1998 und 2005 - offiziell weiterhin ein rot-grünes Bündnis an, obwohl dies die Umfragezahlen nicht hergeben. Bei den Sozialdemokraten laufen aber auch schon Planspiele für eine neue große Koalition. Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück hat mehrfach deutlich gemacht, dass er selbst dafür nicht zur Verfügung steht. Die verschiedenen Angebote der Linkspartei zur Zusammenarbeit stießen bei der SPD-Spitze weiterhin auf Ablehnung.

34 Parteien, 4500 Kandidaten

Insgesamt gehen für den 18. Deutschen Bundestag 34 Parteien mit annähernd 4500 Kandidaten ins Rennen. Die Wahllokale öffnen am Sonntag um 08.00 Uhr. Die ersten Prognosen der großen Fernsehsender gibt es dann mit Ende der Stimmabgabe um 18.00 Uhr, gefolgt von den Hochrechnungen. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird in der Nacht erwartet. Mit Interesse wird erwartet, ob die Wahlbeteiligung weiter sinkt. 2009 lag sie bei 70,8 Prozent. Die beiden Altkanzler Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) riefen am Freitag dazu auf, vom Wahlrecht auf jeden Fall Gebrauch zu machen.

Der neue Bundestag mit seinen mindestens 598 Abgeordneten trifft sich spätestens am 22. Oktober zum ersten Mal. Bis dahin ist die schwarz-gelbe Bundesregierung auf jeden Fall noch im Amt. (dpa)