Essen. Sperrungen von Trumps Medien-Accounts werfen erneut Frage nach Verantwortung der Plattformen auf. Werden die Kontrollen strenger?
Die Sperrung der Twitter- und Facebook-Accounts von Donald Trump nach der Erstürmung des Capitols in Washington hat die Debatte um die Verantwortung der Online-Plattformen erneut befeuert. Twitter hatte Trumps Account zunächst für zwölf Stunden gesperrt, Facebook kündigte an, das Konto des US-Präsidenten bis zum Ende seiner Amtszeit zu sperren. Bei künftigen Verstößen solle sein Zugang komplett stillgelegt werden. Auch YouTube und Snapchat blockierten Trumps Video. Die Plattformbetreiber begründen dies damit, dass die Tweets und Videos des US-Präsidenten die Unruhen angestachelt hätten.
Es sei eine sinnvolle Maßnahme, Accounts zu sperren oder Nachrichten zu löschen, wenn Falsch-Nachrichten verbreitet werden, die die Demokratie gefährden, sagte Prof. Nicole Krämer, Medienexpertin und Leiterin des Fachgebiets Sozialpsychologie: Medien und Kommunikation an der Uni Duisburg-Essen. Die Forschung zeige, dass Nachrichten in sozialen Medien die Meinung und Einstellung von Personen beeinflussen könnten. „Allerdings werden natürlich Unterstützer in der über Jahre geschaffenen Filterblase weiter Verschwörungstheorien verbreiten, sodass die Maßnahme voraussichtlich nur teilweisen Erfolg haben wird“, so Krämer.
Sperrungen kommen zu spät
Die Wissenschaftlerin schloss sich der Kritik an, dass die Plattformbetreiber viel zu spät reagiert hätten. Krämer: „Die Maßnahmen kommen natürlich keinesfalls rechtzeitig, da über Jahre Lügen und Falschnachrichten verbreitet wurden und systematisch das Vertrauen in Institutionen untergraben wurde.“ Die sozialen Medien müssten daher grundsätzliche Reformen einleiten und stärker nach journalistischen Standards entscheiden.
Es sei wünschenswert, führte Krämer weiter aus, „dass die großen Plattformen zu verstehen beginnen, dass sie sich nicht nur als Transportmittel für Nachrichten sehen dürfen, sondern ähnlich wie Journalisten eine Gatekeeping-Funktion wahrnehmen müssten.“
Ausarbeitung klarer Kriterien nötig
Auch der Kommunikationswissenschaftler Prof. Klaus Kamps von der Hochschule für Medien in Stuttgart hofft, dass nun „eine breite Debatte über die Rolle der sozialen Medien und deren Umgang mit Fehl- und Desinformation, Lüge und Hetze“ beginnen werde. Die Sperrung von Trumps Account hält er für richtig und habe „auch einen symbolischen Gehalt“.
Allerdings sei dies nicht ausreichend, denn ein Nutzer könne leicht auf andere Kanäle ausweichen. „Wenn Twitter ein Video sperrt, dann geht Trump vor die normalen Kameras und so weiter.“ Daher müsse es jetzt „um die Ausarbeitung von klaren Kriterien gehen, welche Inhalte konkret zu sperren sein werden“, sagte Kamps dem Science Media Center (SMC) in Köln.
Rechtsprechung uneinheitlich
Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund, verwies gegenüber dem SMC auf die rechtlichen Aspekte der Maßnahmen. „Im Kern geht es um die Frage, inwiefern die privaten Betreiber der großen Plattformen öffentliche Kommunikation gestalten dürfen – und natürlich auch, welche Verantwortung ihnen zukommt.“ In der Frage, wo die Grenzen liegen, sei die Rechtsprechung allerdings unentschieden.
Einige Gerichte vertreten laut Gostomzyk die Auffassung, dass die großen Plattformen einer dem Staat ähnlichen Grundrechtsbindung unterliegen. Daraus folge, „dass nur von der Meinungsfreiheit gedeckte Gemeinschaftsstandards durchgesetzt werden dürfen“. Andere Gerichte erlaubten auch die Löschung von Posts, die von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.
Wie wird die Politik reagieren
Medienexperten glauben, dass sich durch die aktuelle Eskalation in den USA und das stärkere Eingreifen der sozialen Medien jetzt entscheiden könnte, wie die Plattformen solche Situationen in Zukunft regeln werden. In der Politik könnten zudem nun Forderungen laut werden, die sozialen Medien stärker zu kontrollieren, damit ähnliche Situationen wie zuletzt in Washington gar nicht erst entstehen können.