Essen. Spätestens jetzt müssen es alle in den USA – einschließlich der Republikaner – gemerkt haben: Donald Trump ist eine Schande für die USA.
Der Sturm auf das Kapitol in Washington wirkte weltweit nach. Welch ein Irrsinn, welch ein Desaster für die Vereinigten Staaten von Amerika! Ein Land, das zu Recht stolz ist auf die Entwicklung seiner Demokratie. Ein Land, das in seiner Geschichte Rückschläge wie die Angriffe des 11. September wegsteckte, das in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine besondere Rolle spielte und damit die Grundlage für eine jahrzehntelange enge Beziehung legte. Ein Land, das in seiner Vielfalt, in seiner Lebensart und seiner Widersprüchlichkeit fasziniert.
Dieses Land hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Es hat sehr viel von dem verloren, was einst seinen Reiz ausmachte. Das aktuelle Amerika ist gespalten wie nie zuvor, die Demokratie ist gefährdet wie nie zuvor. Dass sich jetzt ein aufgeheizter Mob aufmachte, um das Kapitol zu stürmen, ist das traurige Ergebnis eines Spaltungsprozesses und einer wachsenden Gewaltbereitschaft innerhalb der Gesellschaft. Dies entwickelte sich über Jahre und fand in der Wahl Donald Trumps den Tiefpunkt.
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Immer wieder gab es Menschen, die Trumps angebliche Anti-Establishment-Politik als notwendigen Aufbruch verteidigten, auch in Deutschland. Doch am Abend des Angriffs auf ein wichtiges Symbol des freien Amerika zeigte sich die hässliche Fratze des Demokratie-Hassers, des Egomanen, des Psychopathen, dem Werte wie Frieden und Freiheit völlig egal sind.
Spätestens jetzt muss es jede Amerikanerin und jeder Amerikaner, auch in der republikanischen Partei, gemerkt haben: Donald Trump ist eine Schande für die USA und keinen weiteren Tag im Amt tragbar. Wenn die einst so stolzen Republikaner, die wiederum in Trump-Unterstützer und Trump-Gegner gespalten sind, jetzt nicht zur Besinnung kommen, werden sie über viele Jahre im politischen Niemandsland verschwinden.
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Doch es geht nicht nur um das Schicksal der Partei, es geht vor allem um politische Verantwortung – für die Menschen, für das Land, ja für die Welt. Donald Trump ist Oberbefehlshaber der US-Armee, er hat, im übertragenen Sinn, den Daumen am Schalter der amerikanischen Atomwaffen. Allein diese Vorstellung ist weiterhin schwer erträglich.
Das politische Amerika steht am Scheideweg. Einiges spricht dafür, dass die Eskalation in Washington diejenigen zusammenrücken lässt, denen es, trotz aller parteipolitischer Gegensätze und individueller Interessen, letzten Endes um die Zukunft des Landes geht. Dessen Errungenschaften stehen auf dem Spiel, vielleicht auch die Zukunft der eigenen Familien, der Kinder und Enkelkinder.
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Fernab von der politischen Dimension gibt es nach der Krawallnacht noch erheblichen Klärungsbedarf. Dazu gehört auch die Arbeit der United States Capitol Police, einer rund 2000 Mann starken Sicherheitsbehörde, die das Kapitol zu beschützen hat. Wo waren die Polizisten? Konnten sie den Sturm nicht verhindern – oder wollten sie es nicht? Hinweise gab es jedenfalls genug, dass Trump in seiner Rede einen Angriff befeuern könnte.
Mindestens vier Tote, viele Verletzte und ein Stich ins Herz der Demokratie stehen am Ende eines Abends, der für die USA ein Tiefpunkt und eine Chance zugleich ist. Die Chance auf einen Neubeginn. Es wäre nicht das erste Mal in der amerikanischen Geschichte.