Berlin.. Nach dem kurzfristigen Rücktritt von Gesine Lötzsch vom Posten der Ko-Vorsitzenden der Linken ist die Nachfolgedebatte in vollem Gange. Obwohl man eigentlich erst nach den Landtagswahlen darüber sprechen wollte. Zur Auswahl stehen Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch.
Es ist ein kurzer Auftritt, Nachfragen sind erst gar nicht erlaubt: Ihr 80-jähriger Ehemann sei altersbedingt erkrankt, berichtet die sichtlich aufgewühlte Gesine Lötzsch in der Linken-Parteizentrale, ihre familiäre Situation lasse künftig keine häufige Abwesenheit von ihrem Wohnort zu. Sie behalte zwar ihr Bundestagsmandat, habe sich aber zum Rücktritt vom Parteivorsitz entschlossen – weil sie „keine halbe Sachen“ machen wolle, sagt Lötzsch.
Es ist das vorzeitige Ende einer wenig glanzvollen, zweijährigen Amtszeit, die mit dem Parteitag Anfang Juni ohnehin ausgelaufen wäre: Die 50-jährige Lötzsch galt mit ihrem Ko-Vorsitzenden Klaus Ernst von Anfang an als Übergangslösung an der Linken-Spitze. Schlechte Umfragewerte, der Mitgliederschwund und strategische Schwächen wurden vor allem ihnen angelastet.
Schlagzeilen mit Castro-Telegramm
Schlagzeilen machte Lötzsch zwar mit einer verkorksten Kommunismusdebatte und einem salbungsvollen Glückwunschtelegramm an Kubas Revolutionsführer Fidel Castro, ansonsten standen sie und Ernst meist im Schatten des strippenziehenden Fraktionschefs Gregor Gysi. Obwohl Lötzsch zunehmend isoliert war, kündigte sie frühzeitig eine erneute Kandidatur an; anders als Ernst, der bis heute dazu schweigt.
Er ist bis zum Parteitag in Göttingen nun allein Vorsitzender, dann stehen Vorstandswahlen an. Eigentlich sollte die Debatte über Kandidaten erst nach den schwierigen Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein losgehen. Und Ernst mahnte mit Blick auf die Wahlkämpfe auch zur Zurückhaltung.
Realos sind für Bartsch und Wagenknecht
Aber bereits am Mittag begann die Diskussion, wer an die Doppelspitze rücken könnte. Der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow schlug die auf dem linken Parteiflügel beheimatete Lafontaine-Vertraute Sahra Wagenknecht und den Partei-Reformer Dietmar Bartsch als neues Duo vor. Das Modell gilt derzeit als relativ aussichtsreich. Bartsch hatte als einziger neben Lötzsch bereits seinen Hut in den Ring geworfen; der Realo-Flügel soll Unterstützung für sie signalisiert haben.
Verbunden wäre damit über Wagenknecht auch ein indirekter Einfluss von Oskar Lafontaine. Doch hatte Wagenknecht bisher erklärt, sie wolle das Amt nicht; Anfragen ließ sie gestern unbeantwortet. Alternativ werden auch die NRW-Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen oder die hessische Fraktionschefin Janine Wissler für den Ko-Vorsitz genannt. Andere wollen wissen, der Thüringer Ramelow spekuliere auf den Ko-Vorsitz neben Wagenknecht.
Lafontaine soll sich nicht drängen
Ernsthafter diskutiert wird Lafontaine selbst als Chef – entweder allein, was eine Satzungsänderung erfordert, oder mit einer Frau als Ko-Chefin. Angesichts ihrer privaten Beziehung aber kaum Wagenknecht. Eingeweihte berichten, Lafontaine dränge nicht auf das arbeitsreiche Amt; die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl genüge ihm. Er werde den Ausgang der Landtagswahlen abwarten, bevor er seine Entscheidung bekanntgebe.
„Großer Respekt“
Lötzsch hatte sich erst am Vortag zum Rückzug entschlossen und die Parteiführung informiert. Ärzte hatten sie dem Vernehmen nach kurzfristig vor die Wahl gestellt, ihren an Demenz erkrankten Gatten in ein Pflegeheim zu geben oder sich selbst in Verantwortung zu nehmen. Vor zwölf Tagen hatte Lötzsch ihren Mann, mit dem sie seit 1987 verheiratet ist, in die Notaufnahme gebracht, danach sagte sie mehrere Wahlkampftermine ab. „Die Entscheidung von Gesine Lötzsch verdient großen Respekt“, so der NRW-Landesverband.