Essen. In Peking wächst ein neues Selbstbewusstsein: Angela Merkel ist unten durch, die Deutschen gelten als "steif und ohne Anziehungskraft". Wenn sich dann europäische Staaten noch rausnehmen, Gewalt gegen Minderheiten zu kritisieren, ist das für Chinas Führung nur eines: Arroganz.

China wird in der Weltpolitik dringend gebraucht – und weiß es auch. Die Weltwirtschaftskrise öffnet, glaubt die Parteizeitung „Renmin Ribao“ zu wissen, ein Zeitalter des „globalen multikulturellen und multipolaren Wettbewerbs“ – weil die amerikanische Machtposition wankt und die der zerstrittenen Europäer zunehmend irrelevant wird. Kein Zweifel, die Karten werden am Gipfeltisch der weltpolitischen Spieler neu gemischt – und so mancher wird sich wundern, dass er von den neuen, zunehmend selbstbewusster auftretenden Spielern nicht mehr ernst genommen wird.

Neu ist, dass Chinas Führung die Kritik der Europäer an der Gewalt gegen Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren als arrogante Voreingenommenheit nicht nur gegen den Staat, sondern gegen die Chinesen überhaupt hoch stilisiert - und damit im Volk auf ein positives Echo stößt. Laut Staatszeitung „China Daily“ ist das ein „Widerstandskampf gegen den hegemonialen Kampf des Westens“.

EU-Einfluss schwindet

Die deutsche und die chinesische Flagge nebeneinander
Die deutsche und die chinesische Flagge nebeneinander © AFP | AFP





Die Chinesen haben den Spieß umgedreht: Den Europäern hält eine neue Studie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften einen „tief sitzenden Kulturpessimismus“ angesichts der Globalisierung vor, der sich zunehmend gegen China, den Nutznießer der Entwicklung, richte. In Deutschland mit seinen besonders empfindlichen ökonomischen Einbußen sind aus chinesischer Sicht die „Vorbehalte gegenüber der Außenwelt“ am größten, da alle Konflikte, vom Terrorismus bis zur Einwanderung, als „Bedrohung der eigenen Lebensart“ empfunden werden.

Dies mag ja hingehen. Doch es kommt noch dicker: Das Blaubuch bringt die EU-Forderungen nach Demokratie und Menschenrechten mit dieser Gefühlslage in Verbindung: Das „Überlegenheitsgefühl aus kolonialen Zeiten“ präge noch heute die Europäer. So machten sie ihr Verhältnis zu Entwicklungsländern von der Übernahme westlicher Wertvorstellungen abhängig. China bekanntlich nicht.

Zwar glaubt noch eine Mehrheit der chinesischen Eliten an eine „wichtige Rolle“ des Handelspartners EU auch in Zukunft. Aber der Einfluss der „schwächeren und militärisch nicht einigen“ EU werde „zunehmend irrelevant“. Mit einer bereits sichtbaren Konsequenz: China reizt es offenkundig, die europäischen Staaten gegeneinander auszuspielen – wenn die Regierung in Peking etwa den Umgang mit dem Dalai Lama zum Vorwand nimmt, die Kontakte rauf und runter zu fahren.

Merkel "unten durch"

Die deutsche Kanzlerin bekam das zu spüren, als sie das geistliche Oberhaupt der Tibeter demonstrativ in ihrem Amtssitz empfing. An Angela Merkel lässt das Blaubuch dann auch kein gutes Haar: Sie habe sich von der „realistischen und weitblickenden Politik“ ihres Vorgängers distanziert und huldige einem „ökonomischen Nationalismus“. Die Kanzlerin, beobachtet ein deutscher Diplomat, „wird höflich behandelt. Aber sie ist in Peking völlig unten durch“.

Geliebt werden Merkels Landsleute von den Chinesen ohnehin nicht. Sonst würde wohl Liang Fengniao in seinem Buch „Yisi bu gou Deguoren“ (Die sorgfältigen Deutschen) nicht urteilen: „Das Essen der Deutschen ist wie ihr Charakter, steif und ohne Anziehungskraft“.