Essen. Wohlfahrtsverband und Studierende fordern eine deutliche Anhebung der Bafög-Förderung. Bisherige Pläne der Bundesregierung reichten nicht aus.

Studierendenvertreter, Wohlfahrtsverbände und Studentenwerke fordern eine stärkere Anhebung der Bafög-Förderung, als es die Reform der Bundesregierung derzeit vorsieht. „Was geplant ist, ist keine echte Reform, sondern eine kleine Anpassung. Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt Tobias Zorn vom Landes-Asten-Treffen NRW, einem landesweiten Zusammenschluss von Studierendenvertretungen.

Die vorgesehene Anhebung der Bafög-Bedarfssätze um fünf Prozent auf künftig 449 Euro werde von der Inflation sofort wieder aufgefressen, kritisiert Olaf Kroll, Sprecher der Studierendenwerke NRW. Auch der Mietkostenzuschuss von geplant 360 Euro im Monat falle zu niedrig aus.

30 Prozent unterhalb der Armutsschwelle

Rückenwind erhält die Kritik durch eine aktuelle Studie, die der Paritätischen Wohlfahrtsverband am Dienstag vorstellte. Danach lebt fast ein Drittel aller Studierenden in Armut. Von den allein lebenden Studenten und Studentinnen leben nach der Erhebung sogar vier von fünf unter der Armutsgrenze.

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So liege das mittlere Einkommen von Studierenden unterhalb der Armutsgrenze bei 802 Euro. Der Abstand zur Armutsschwelle betrage damit 463 Euro. Besonders betroffen seien nicht nur Ein-Personen-Haushalte (80 Prozent), sondern auch fast jeder zweite Bafög-Bezieher. Von den knapp 760.000 Studierenden in NRW beziehen nach Angaben der Studentenwerke knapp 93.800 Bafög in Höhe von durchschnittlich 570 Euro im Monat. „Der Nachholbedarf ist groß, weil zu wenige Studierende gefördert werden“, so Kroll.

Verband fordert weitreichende Bafög-Reform

„Das Versprechen von Chancengleichheit und gleichen Möglichkeiten für alle jungen Menschen ist nicht viel wert, wenn es nicht gelingt, Studierende wirksam vor Armut zu schützen und ihnen den Rücken für eine Ausbildung, frei von existenzieller Not, zu stärken“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands, bei der Vorstellung der Studie. Nötig sei eine weitreichende Bafög-Reform, forderte Schneider vor den Beratungen im Bundestagsausschuss für Bildung in Berlin am Mittwoch.

Während die geplante Anhebung der Altersgrenze auf 45 Jahre sowie die Erhöhung der Elternfreibeträge um 20 Prozent vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und den Studentenwerken (DSW) begrüßt werden, sei die zu geringe Anhebung der Bafög-Bedarfssätze um nur fünf Prozent eine „eklatante Schwachstelle“, sagte DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl. Hier müsse die Politik dringend nachbessern.

Steigende Lebenshaltungskosten

Armut unter Studierenden sei ein bekanntes Phänomen, weiß Anbuhl. Die Bundesregierung dürfe den durch steigende Lebensmittel- und Energiepreise ohnehin knapp kalkulierenden Studierenden keinen Kaufkraftverlust zumuten. Die Sätze müssten mindestens um zehn Prozent steigen. „Das Bafög muss wirklich zum Leben reichen“, so Anbuhl. „Die strukturelle Armut unter Studierenden bleibt eine offene Baustelle des Hochschulsystems. Schon bei der Überbrückungshilfe der Bundesregierung, die die Studierendenwerke 2020/2021 umgesetzt haben, wurde das deutlich.“

Zwar mussten damals zahlreiche Anträge abgelehnt werden, da nach den Kriterien der Überbrückungshilfe des Bundes nicht immer nachgewiesen werden konnte, dass die Notlage allein durch die Corona-Pandemie bedingt war. „Die Notlage bestand aber schon vor der Pandemie und unabhängig von der Pandemie“, sagt Anbuhl.

Auch der Paritätische fordert von der Politik deutliche Bafög-Nachbesserungen. Nötig sei eine Anhebung der Leistungshöhe sowie ihre automatische und regelmäßige Fortschreibung. Andernfalls drohten weitere Belastungen, Verschuldung und Studienabbrüche armer Studierender.