Essen. Wegen einer Landesregel gelten ab Juli in NRW neue Regeln zur Refinanzierung von angemieteten Pflegeheimen. Betreiber warnen vor Insolvenzrisiken.

Private Pflegeheimbetreiber warnen vor einer wirtschaftlichen Schieflage und gar einem Insolvenzrisiko für zahlreiche vollstationäre Senioreneinrichtungen in NRW.

Wegen einer gesetzlichen Änderung könnten Heime, die in angemieteten Immobilien betrieben werden, ihre Miete ab Juli nicht mehr in der bisherigen Höhe über ihre Bewohner refinanzieren. Dadurch können in den Einrichtungen Finanzierungslücken von bis zu mehreren hunderttausend Euro im Jahr entstehen, rechnet der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) in NRW.

Private Heimbetreiber warnen vor Notlage in NRW

Der BPA-Landesvorsitzende Christof Beckmann beklagt eine Notlage der betroffenen Betreiber. Die Vermieter erwarteten weiterhin ihre langfristig vertraglich vereinbarten Mietzahlungen in voller Höhe, so Beckmann. „Viele Betreiber von gemieteten Pflegeimmobilien wissen schon in wenigen Wochen nicht mehr, wie sie das bezahlen sollen.“

Laut BPA werden 1000 der rund 2300 vollstationären Pflegeheime in NRW in angemieteten Immobilien betrieben. Auch freie Träger treibt das Thema um. Wie viele von finanziellen Nöten betroffen sein könnten, ist nach Einschätzung von Experten aber noch nicht abzusehen.

Landesgesetz von 2014 greift: Heime fordern längere Übergangsfrist

Konkret in der Kritik steht das 2014 von der damaligen rot-grünen Landesregierung erlassene Alten- und Pflegegesetz. Darin wird auch geklärt, welche Investitionskosten die Pflegeheimbetreiber ihren Bewohnern auferlegen dürfen. Mit der Gesetzesänderung sollte sichergestellt werden, dass auf die Bewohner nur die betriebsnotwendigen und tatsächlich angefallenen Kosten umgelegt werden dürfen. Bei angemieteten Immobilien heißt das vereinfacht: Die Mietkosten werden mit dem verglichen, was Heimbetreiber an Investitionskosten in einer im Eigentum betriebenen Einrichtung angeben.

Für Einrichtungen, deren Mietverträge vor 2014 abgeschlossen worden sind, gab es allerdings eine Übergangsfrist. Wegen der Pandemie ist sie bis Juli 2021 verlängert worden.

BPA-Landeschef Beckmann hält den Zeitraum für zu kurz: „Mietverträge werden über einen langfristigen Zeitraum abgeschlossen“, erklärt er. Konkret brauche es einen Bestandsschutz von 15 Jahren. Beckmann wirft der aktuellen schwarz-gelben Landesregierung vor, dass sie Kosten in der Pflege einsparen wolle.

Landschaftsverband: Ausreichend Zeit zur Umstellung

Braucht es einen längeren Übergangszeitraum für ältere Pflegeheime? Georg Lunemann, Kämmerer des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), ist deutlich: „Die Heimbetreiber wussten seit sechs Jahren, dass diese Änderung auf sie zukommt. Sie hatten ausreichend Zeit, mit ihren Vermietern das Gespräch zu suchen.“ Er verweist auf verschiedene Optionen, die Betreibern und Investoren eingeräumt worden sind. So können Investoren unter Offenlegung ihrer Finanzierungsbedarfe Risikozuschläge geltend machen.

LWL-Kämmerer Georg Lunemann.
LWL-Kämmerer Georg Lunemann. © Unbekannt | Michael Korte

Die Landschaftsverbände in NRW überprüfen für das Gros der Heime im Land, dass sie nur angemessene Investitionskosten bei Bewohnern geltend machen. Das gilt immer dann, wenn mindestens ein Pflegebedürftiger Pflegewohngeld beantragt hat und damit staatliche Unterstützung empfängt.

In NRW zahlen Heimbewohner besonders viel dazu

Und das sind immer mehr: In NRW werden seit Jahren die sehr hohen Zuzahlungen für den Heimplatz beklagt. Laut Verband der Ersatzkassen (Vdek) liegt NRW mit einem Eigenanteil von im Schnitt rund 2460 Euro im Monat bundesweit an der Spitze. Patientenschützer warnten unlängst, dass die Heim-Eigenanteile mit der Bundes-Pflegereform steigen.

Laut BPA-Landeschef Beckmann überlegen nun erste Träger, aus der Pflegewohngeldförderung auszusteigen. Das würde allerdings bedeuten, dass betroffene Bewohner statt des Pflegewohngeldes künftig Sozialhilfe beantragen müssten und jeder Träger selbst mit dem städtischen Sozialamt in Verhandlungen eintreten müsste. Die Kommunen wollen solch eine Konstellation verhindern: Nach Angaben des LWL haben sie die Landschaftsverbände bereits mit dieser Aufgabe betraut.

Lunemann mahnt zur Zurückhaltung. Sollten einzelne Heime tatsächlich in wirtschaftliche Schieflage geraten, weil Mieten nicht mehr zu zahlen seien, werde es Möglichkeiten zu reagieren geben. „Diese Heime müssen sich aber auch die Frage gefallen lassen, wie diese Schieflage zu erklären ist.“