Düsseldorf. SPD und Grüne erhöhen den Druck in der Aufklärung der Katastrophe vom Juli 2021, bei der die Landesregierung wohl nicht gut aussah.
Die Landtagsopposition aus SPD und Grünen will sich im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe erneut die schwer in der Kritik stehende NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) vornehmen. „Wir wollen eine Sondersitzung, in der sich Frau Heinen-Esser erklärt“, kündigte SPD-Obmann Stefan Kämmerling am Montag an.
Die Ministerin hatte bei ihrer ersten Zeugenvernehmung vor zehn Tagen einräumen müssen, dass sie während des verheerenden Hochwassers im Juli 2021 mit 49 Todesopfern nur kurz in Düsseldorf war und danach wieder für mehrere Tage zurück nach Mallorca geflogen ist. Heinen-Esser begründete dies mit Betreuungspflichten für ihre damals 15-jährige Tochter, die mit Freunden auf der Baleareninsel geblieben war. Zudem habe sie ihre Amtsgeschäfte aus der Zweitwohnung auf Mallorca wahrgenommen.
Heinen-Esser soll Mallorca-Regierungsgeschäfte offenlegen
SPD und Grüne hegen Zweifel an dieser Darstellung. Heinen-Esser soll nun anhand von Kommunikationsdaten auch privater E-Mail-Adressen und Messengerdienste darlegen, wann und wie sie von Mallorca aus die Bewältigung der Flut-Folgen gesteuert hat. Laut Kämmerling seien die bislang an den Untersuchungsausschuss gelieferten Akten hierzu lückenhaft. Die Ministerin müsse zudem erklären, warum während der schlimmsten Naturkatastrophe in NRW seit Jahrzehnten niemand anderes die Betreuung der Tochter übernehmen konnte. Die Landesregierung hat bislang stets bestritten, dass Unterlagen zurückgehalten oder unzulässig geschwärzt worden sind.
Grünen-Obmann Johannes Remmel, der zwischen 2010 und 2017 selbst Umweltminister war, erklärte das Vorgehen seiner früheren Behörde während der Flut zur „Chronik eines angekündigten Staatsversagens“. Frühe Hochwasser-Warnungen seien nicht richtig eingeschätzt worden, weil der einzige Fachmann für eine Warn-Software in Ferien war. Die Bezirksregierungen konnten die betroffenen Städte nicht rechtzeitig alarmieren. Die urlaubende Ministeriumsspitze habe nicht einmal angemessen reagiert, als bereits Hagen als erste NRW-Stadt unter Wasser stand, so Remmel.
Dutzende Zeugen könnten vor Wahl nicht mehr gehört werden
Ob Heinen-Esser noch vor der Landtagswahl am 15. Mai ein weiteres Mal im Untersuchungsausschuss gehört werden kann, ist unklar. Nach derzeitiger Sitzungsplanung könnten 24 von 41 benannten Zeugen nicht mehr befragt werden. SPD und Grüne werfen der schwarz-gelben Regierungskoalition vor, die für sie unangenehme Aufarbeitung verschleppen und einen „Zwischenbericht“ ohne inhaltliche Wertung veröffentlichen zu wollen. Sie fordern umgehend bis zu drei Sitzungen pro Woche, um offene Fragen schneller beantworten zu können.
Ein zentraler Zeuge wird bereits an diesem Freitagmorgen aufgerufen: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), bei dem das umstrittene Krisenmanagement an den ersten Flut-Tagen zusammenlief.