Düsseldorf. Eine überraschende Verkehrsministerin, eine herrschaftliche Kulisse und erste Gesetze prägen den Start des neuen NRW-Regierungschefs.
An seinem zweiten Tag im Amt muss Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gleich zwei Kunststücke vollführen. Das personelle Weiter-so soll nach Erneuerung aussehen. Und die programmatische Kontinuität nach Aufbruch.
Wüst überreicht am Donnerstagmorgen allen Ministern seines Vorgängers Armin Laschet druckfrische Ernennungsurkunden. „Wir setzen auf ein gut arbeitendes, bewährtes Team“, sagt der 46-jährige Chef dazu. Die Kabinettssitzung hat Wüst ins Düsseldorfer Ständehaus verlegt, den historischen Landtag. Bei strahlendem Oktober-Wetter lässt der Prunkbau als Kulisse die wohlbekannte Regierungsmannschaft gleich etwas herrschaftlicher aussehen.
Wüst gelingt ein kleines personalpolitisches Ausrufezeichen
Außerdem gelingt es Wüst, zumindest ein kleines personalpolitisches Ausrufezeichen zu setzen: Für seine eigene Nachfolge, den freien Posten des Verkehrsministers, präsentiert er eine Überraschung. Die 44-jährige Managerin Ina Brandes soll das Ressort übernehmen. Die gebürtige Dortmunderin hat 15 Jahre lang für den schwedischen Planungskonzern Sweco gearbeitet, von 2011 bis 2020 sogar als Sprecherin der Geschäftsführung.
Die in Niedersachsen lebende Brandes hatte niemand auf dem Zettel. Vor allem wohl nicht jene in der CDU-Landtagsfraktion, die Wüst am Mittwoch bei der knappen Abstimmung im Landtag über die Hürde geholfen und sich selbst für ministrabel gehalten hatten. Doch der Ministerpräsident will in den knapp sieben Monaten, die bis zur Landtagswahl bleiben, offenbar unkonventionelle Signale setzen.
Brandes hat zwar mal als Referentin für die CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen gearbeitet, ist aber keine Politikerin. Sie spricht auch nicht wie eine und sorgt für eine deutliche Verjüngung des Kabinetts. Sie hat Politikwissenschaften, Geschichte und Englische Philologie studiert und zuletzt noch ein Fernstudium der Schriftstellerei angefangen. Für jemanden, der sich beruflich seit Jahren mit Infrastrukturplanung befasst, ein ungewöhnlich breiter Korridor.
Die Neue hat noch nicht alles auf dem Schirm
Erfrischend offenherzig erzählt Brandes bei ihrer Vorstellung, dass sie viele Verkehrsthemen in NRW noch nicht “auf dem Schirm” habe, sich erst eine Wohnung in Düsseldorf suchen müsse und die glücksbringende “Stauformel” auch nicht kenne. Doch riskanter dürften für Wüst andere Facetten der Personalie sein: Brandes trat im vergangenen Jahr im Landtag als Firmenvertreterin auf, als es um das Ausschreibungsdebakel rund um mangelhaften Stahl beim Neubau der Leverkusener A3-Brücke ging. Lauert hier ein Interessenkonflikt?
Auf den Landtagsfluren wurde umgehend berichtet, Brandes’ Ehemann Kristian Tangermann, sei bloß ein alter “Junge Union-Kumpel” von Wüst. Der Ministerpräsident bestritt später in einer Pressekonferenz gar nicht, dass er beide lange kenne und Brandes auch mit der Leverkusener Brücke zu tun hatte. “Das Entscheidende ist ihre Fachkompetenz durch ihre langjährige Tätigkeit bei Sweco”, so Wüst.
"Unser Tatendrang ist groß"
Inhaltlich wollte der Regierungschef auch gleich loslegen. So seien rund 300 Stellen in der Landesverwaltung zur schnelleren Abarbeitung der Fluthilfen bereitgestellt worden. Zudem wurde ein “Mittelstandsförderungsgesetz” auf den Weg gebracht, das den bereits bestehenden “Experten-TÜV” für größtmögliche Wirtschaftsfreundlichkeit auch auf Bestandsgesetze ausweiten soll.
Für Februar 2022 kündigte Wüst eine Neuerung im “Krankenhausgestaltungsgesetz” an, das Besuchsrechte von Patienten und Angehörigen stärken soll. “Zielsetzung ist, dass nie wieder Menschen alleine sterben müssen”, sagte Wüst mit großer Entschlossenheit. In der Corona-Pandemie hatten jedoch Bund und Länder maßgeblich dazu beigetragen, dass Kliniken Besuchsrechte zeitweilig drastisch einschränkten.
“Unser Tatendrang ist groß”, sagte Wüst. Die aktuell miseralen Umfragen für die CDU in NRW juckten ihn “im Moment nicht”. Die Landesregierung müsse jetzt ihre Arbeit machen. Dann eilte er zur Mitarbeiterversammlung in der Staatskanzlei. Offizielle Hausübergabe mit Laschet.