Berlin. Karl-Theodor zu Guttenberg hat bei seiner Doktorarbeit nicht absichtlich geschummelt. Das schreibt er zumindest in seinem Buch “Vorerst gescheitert“, das ab Dienstag verkauft wird. Die Lektüre ist eine Provokation, wie sie auch schon Thilo Sarrazin und Peer Steinbrück geschrieben haben.

Mit Büchern kann man Anstöße geben und anstößig werden. Oder beides. Thilo Sarrazin und Peer Steinbrück machten es vor. Nun meldet sich Karl-Theodor zu Guttenberg zu Wort. Aber bei ihm ist nicht die Handlung, sondern die Haltung die Provokation. Denn nur acht Monate nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister wegen der Plagiatsaffäre sitzt er wieder hoch zu Ross. Den Steigbügel hält ihm der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hin. Mitte Oktober rückte er zum Interview in einem Londoner Hotel an. Guttenberg hatte es plötzlich eilig. Das Buch sollte unbedingt  bis Jahresende erscheinen. Ab heute ist es nun im Handel, und die Startauflage des Herder-Verlages beträgt 80.000. Der Titel: "Vorerst gescheitert." Die Betonung liegt auf "Vorerst".

Das Buch

Die 208 Seiten lesen sich leicht. Es ist eine kurzweilige Lektüre mit vielen Anekdoten. Ein Drittel handelt von der Plagiatsaffäre. Guttenberg würde unter Eid erklären ("natürlich"), dass kein anderer für ihn die Doktorarbeit geschrieben hat. Die Zitate, mit denen er sich fälschlicherweise schmückte, führt der Ex-Minister auf Schusseligkeit zurück. Er hatte eine chaotische Phase, war überfordert. Das klingt unglaubwürdig. Einerseits.

Andererseits ist die Realität oft ein einziger Sketch. Es bleibt jedem überlassen, ob er "KT" Glauben schenkt oder nicht.

Man lernt viel über Guttenberg; welche Fotos inszeniert waren - im Jet in Top-Gun-Manier - und was ein Schnappschuss war,  etwa das Bild von ihm in  New York am Times Square. Man erfährt auch, dass er Gedichte schreibt, gern singt, keine Brille mehr braucht, auf der Straße mit Baseball-Mütze rumläuft (um unerkannt zu bleiben), dass er erst eine musikalische Karriere erwogen und genauso überlegt hat, Springreiter zu werden. Am Ende stellte sich heraus, dass er Qualitäten hat, die ihn für die Politik prädestinieren: Reden fällt ihm leicht, die Klaviatur der Medien beherrscht er virtuos.

Das Politikum

Di Lorenzo schreibt, wer "KT"s Rückkehr befürchte, der tue das wohl mit Recht. Im Sommer ging der frühere Minister in die USA, um Distanz zu gewinnen; und auch damit Gras über die Sache wachsen konnte. Inzwischen will er zurück nach Deutschland. Er kokettiert mit einer neuen Partei der Mitte, einem Sammelbecken für enttäuschte Unions-Wähler. Wenn er wieder durchstarten will, muss er das Jahr 2013 im Auge behalten. Dann finden Wahlen im Bund und in Bayern statt. Das bedeutet auch, dass er 2012 seine Chancen checken muss. Zuletzt trat er mehrfach auf und ließ aufhorchen. Anfang nächsten Jahres will Guttenberg  die Laudatio auf den Preisträger des Ordens wider den tierischen Ernst in Aachen halten. Wieder dürfte ihm die Aufmerksamkeit sicher sein. Im Buch lässt er sich offen, wie es weiter geht. Er hat keinen Plan, den er jetzt Zug für Zug umsetzen könnte. Das Denken mit großer Zugtiefe, wie Schachspieler sagen,  ist ihm nicht gegeben. Er testet die Stimmung und entscheidet ad hoc, obwohl er gerade das bei den anderen Politikern beklagt.

Fazit

Er ist nur bedingt lernfähig. Die Ruckzuck-Läuterung ist kaum  glaubhaft. Der Zeitpunkt des Buches, die Verzahnung mit der Staatsanwaltschaft Hof, die gerade das Verfahren gegen ihn eingestellt hatte, die öffentlichen Auftritte dieser Tage, die Kritik an den Parteien - all das lässt nur einen Schluss zu. Es ist eine mediale Inszenierung. Dass der Zeit-Chefredakteur ihn interviewt und die Wochenzeitung mehrere Seiten für ihn freilegte, wirkt wie ein Persilschein. Den konnte ja  schwerlich "Bild" ausstellen. Das musste eine seriöse Zeitung tun. Eine Frage des Spin. Auf den Effekt versteht sich der Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg.