Berlin. Eine Langzeituntersuchung weckt massive Zweifel an den sogenannten Babyklappen: In etlichen Fällen wollen oder können die Träger nicht nachweisen, was mit den abgegebenen Kindern geschehen ist. Politiker fordern Ende der Projekt
Der Verbleib von etwa 200 anonym geborenen oder in einer Babyklappe abgelegten Kinder ist ungeklärt. Das geht aus einer Ende 2011 veröffentlichten Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJJ) zu den 1999 bis 2010 hervor. Politikerinnen mehrerer Parteien forderten in der "Welt am Sonntag" strengere Regelungen oder sogar die Abschaffung von Babyklappen. "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass in Deutschland keine neuen Babyklappen eröffnet werden dürfen, dass die bestehenden Projekte allmählich auslaufen sollten und möglichst rasch klare Vorschriften erhalten müssen", wird die CDU-Familienpolitikerin Ingrid Fischbach zitiert.
Was mit den Kindern wurde, ist nicht bekannt
Das DJJ schrieb in einer großangelegten Untersuchung unter anderem 344 Träger von Angeboten anonymer Kindesabgaben an - neben Babyklappen gehört dazu auch die Möglichkeit, ein Kind anonym zur Welt zu bringen. Etwa 20 Prozent der Träger reagierten nicht; bei den übrigen wurden seit Gründung der ersten Babyklappe 1999 bis Mai 2010 insgesamt 973 Kinder abgegeben. Zwei Drittel der Fälle (652 Kinder) wurde anonym geboren, knapp ein Drittel (278 Kinder) wurde in eine Babyklappe gelegt, weitere 43 Kinder wurden Mitarbeitern des jeweiligen Trägers anonym übergeben.
Auf die Frage, was mit den Kindern geschah, konnten die Träger der Studie zufolge bei 20 Prozent keine Angaben machen. Das heißt, es ist völlig unklar, was aus den Kindern wurde - ob sie beispielsweise adoptiert oder von ihren Müttern zurückgenommen wurden.
Es sei schwierig, die Anzahl der betroffenen Kinder exakt zu erfassen, heißt es in dem DJJ-Bericht. "Dies liegt daran, dass diese Daten nicht an einer zentralen Stelle gesammelt werden, in einigen Fällen keinerlei Dokumentation der Vorgänge stattfindet beziehungsweise diese bei vielen Anbietern mangelhaft ist." Viele Träger arbeiteten ohne Kooperationsverträge mit den Jugendämtern, oft gebe es nur mündliche Absprachen.
Standardisiertes Verfahren gefordert
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Elkin Deligöz, sagte, es müsse ein standardisiertes Verfahren entwickelt werden, wie mit einem anonym abgegebenen Kind verfahren werde. Ein Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll hierzu "gemeinsame, für alle Beteiligten verpflichtende Kriterien aufstellen", forderte sie. So müsse ein Baby unverzüglich von den Anbietern beim Jugendamt gemeldet werden, ein Amtsvormund müsse bestellt und das Adoptionsverfahren strikt von den Trägern der anonymen Angebote getrennt werden.
Die CDU-Politikerin Fischbach ging einen Schritt weiter und sprach sich für ein Ende der Babyklappen aus. Als Alternative forderte sie "ein Gesetz für die vertrauliche Geburt, bei der eine Frau im Krankenhaus entbindet und ihre Daten einige Jahre lang unter Verschluss gehalten werden". Die Frau müsse sicher sein können, dass die Geburt eine Zeit lang nicht den Stellen oder Menschen bekannt werde, von denen sie Repressalien befürchte. Der Vorteil sei, dass die Daten der Frau erfasst seien und sie deshalb für Beratung und Hilfsangebote erreichbar sei, sagte Fischbach.