Essen. In Kliniken im Ruhrgebiet stößt der Vorstoß des Ethikrates zur Abschaffung der Babyklappen auf heftige Kritik. Die Empfehlung gehe völlig am wahren Leben vorbei. „Die Babyklappe abzuschaffen ist, als ob man alle Rettungsringe abschafft, damit keiner mehr ins Wasser springt.”

Die Empfehlung des Ethikrates, Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt abzuschaffen, stößt bei Einrichtungen mit Babyklappen im Ruhrgebiet teilweise auf heftige Ablehnung.






Der Ethikrat sieht in Babyklappen das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzt. Die Angebote anonymer Kindesabgabe seien ethisch und rechtlich sehr problematisch. Die Erfahrungen legten nahe, dass Frauen, die ihr Kind töten wollen, durch die Angebote nicht erreicht würden, so die Begründung. In den letzten zehn Jahren seien geschätzt 500 Kinder durch diese Angebote zu „Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft” geworden, so das Gremium. Und: Die Zahl der getöteten Kinder sei im gleichen Zeitraum nicht signifikant zurückgegangen.

Chefarzt: Empfehlung ist eine Katastrophe

Alternative des Ethikrats: Legale Hilfsangebote für schwangere Frauen in Notsituationen verbessern und bekannter machen. Zudem solle ein Gesetz zur „vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung” beschlossen werden. Dabei wird der Frau zugesichert, dass ihre Daten ein Jahr lang ab Geburt des Kindes nur der Beratungsstelle und nicht den Meldebehörden mitgeteilt werden.

Aber: Die Entscheidung des Rates fiel keineswegs einstimmig. Die Vertreter der Kirche unterzeichneten ein Sondervotum. Darin werden Babyklappen und Angebote anonymer Entbindungen als „letzter Ausweg” betrachtet, um Frauen zu erreichen, die von regulären Hilfsangeboten keinen Gebrauch machen wollen.

Für Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik am St. Johannes-Hospital in Duisburg, ist die Entscheidung „eine Katastrophe” und zeige, wie weit der Ethikrat vom wahren Leben entfernt sei. Die Gegner der Babyklappe versuchten, mit Statistiken zu argumentieren, doch dieses Thema sei nicht mit Statistiken zu erfassen. Seiffert: „Die Babyklappe abzuschaffen ist, als ob man alle Rettungsringe abschafft, damit keiner mehr ins Wasser springt.”

"Emotionale Kälte"

Für Dr. Michael Glaßmeier, Chefarzt am Castrop-Rauxeler St. Rochus-Hospital, strahlt die Entscheidung des Rates eine emotionale Kälte aus, die ganz weit weg von den Betroffenen sei. Das Krankenhaus hat den Begriff „Babyfenster” gewählt, weil „Klappe” zu sehr ans Verklappen erinnere. Gerade Frauen in Grenzsituationen bräuchten einen Schutzraum. Und den nähmen sie nicht in Anspruch, wenn eine anonyme Geburt strafbar sei, so Glaßmeier. Er selbst sei anfangs gegen die das Babyfenster gewesen, doch eingebettet in ein Paket von Hilfsmaßnahmen überwögen die Vorteile.

Am Dortmunder Klinikum beantwortet man die Frage nach Babyklappe und Alternativangebot nicht mit „entweder oder”, sondern mit „sowohl als auch”. Die erste Priorität läge in der Vermeidung der Babyklappe, etwa mit dem Programm „Start mit Stolpern”, bei dem Eltern soziale Betreuung erhalten. „Wir sprechen Eltern auch direkt an, wenn wir während der Schwangerschaft das Gefühl haben, dass Probleme auftauchen könnten”, so Manfred Fiedler, Arbeitsdirektor am Dortmunder Klinikum. Die Babyklappe würde das Klinikum nicht schließen. Fiedler: „Selbst wenn wir in zehn Jahren nur ein einziges Kind vor größerem Schaden bewahren, hat sie sich gelohnt.” mit epd