Essen. Die Pläne der Ampelfraktionen für eine 3G-Regel im ÖPNV stoßen auf ein geteiltes Echo. Verkehrsunternehmen zweifeln an Umsetzbarkeit.

Die Pläne der Ampelfraktionen, im Nahverkehr eine 3G-Regel einzuführen und Ungeimpften die Nutzung von Bussen und Bahnen nur mit einem negativen Corona-Test zu erlauben, stoßen auf ein geteilte Echo. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte das Vorhaben als „blinden Aktionismus“. „Eine 3G-Regel im Nahverkehr wäre klimapolitisch kontraproduktiv und ein Bremsklotz für die Verkehrswende“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Detlef Neuß dieser Redaktion.

3G-Kontrollen im Nahverkehr "völlig illusorisch"

Außerdem erwecke der Plan den Eindruck, dass im ÖPNV eine verstärkte Ansteckungsgefahr bestehe. "Dies ist aber nicht der Fall“, so Neuß. Der Pro Bahn-Sprecher verwies auf Studien, wonach die Infektionsgefahr in Bussen und Bahnen nicht größer sei als im Supermarkt. Neuß zweifelte zudem an der Umsetzbarkeit von 3G-Kontrollen in öffentlichen Verkehrsmitteln. „In Fernzügen ist das noch vorstellbar, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Im Nahverkehr sind 3G-Kontrollen dagegen völlig illusorisch“, sagte Neuß. 3G im ÖPNV sei offenbar eine Idee von Politikern, "die in der Regel den Fahrdienst der Bundesregierung in Anspruch nehmen können".

ÖPNV hat Beförderungspflicht

Zurückhaltender reagierten die Verkehrsbetriebe an Rhein und Ruhr. Sie ziehen vor allem in Zweifel, ob eine 3G-Regel überhaupt kontrollierbar sei. „Die Vorschläge, die 3-G-Regel in Bussen und Bahnen anzuwenden, sehen wir sehr kritisch – insbesondere was die konkrete Umsetzung in die Praxis angeht“, sagte der Verkehrschef der Dortmunder Stadtwerke, Hubert Jung. Für eine lückenlose und flächendeckende Kontrolle fehle es an personellen und finanziellen Ressourcen.

Erfolge bei der Kontrolle der Maskenpflicht in Duisburg

Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) befürwortet dagegen grundsätzlich alle Maßnahmen, die Pandemie einzudämmen, hält aber ebenfalls die Kontrollierbarkeit für ein ungelöstes Problem. DVG-Sprecherin Kathrin Naß mahnt eine praktikable Lösung an, die nicht zu Lasten des ÖPNV-Betreibers gehen dürfe. „Weder die Ticketprüfer noch das Fahrpersonal können diese Aufgabe übernehmen, weil durch den Zeitaufwand die Fahrpläne faktisch außer Kraft gesetzt werden und eine Taktung nicht mehr kalkulierbar ist“, sagte Naß.

Die DVG verwies allerdings auf Erfolge bei der Kontrolle der Maskenpflicht im ÖPNV im vergangenen Jahr. DVG und Duisburger Ordnungsamt hatten 2020 rund eine halbe Million Fahrgäste kontrolliert. Die Bilanz: Mehr als 97 Prozent der Fahrgäste hielten die Maskenpflicht ein.

VDV verweist auf Beförderungspflicht

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wies unterdessen auf die bestehende Beförderungspflicht im ÖPNV hin. Diese könne nur unter ganz bestimmten Kriterien ausgesetzt werden, teilte Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff mit. Wolff zeigte grundsätzlich Verständnis für die Ampel-Pläne. „Angesicht der nun stark steigenden Inzidenzen ist es nachvollziehbar, dass auch im öffentlichen Verkehr entsprechende Verschärfungen diskutiert werden“, teilte der VDV-Hauptgeschäftsführer mit. Allerdings müsse allen klar sein, dass in einem offenen System mit täglich mehreren Millionen Fahrgästen keine lückenlosen Kontrollen stattfinden könnten.

Der Deutsche Städtetag begrüßte die 3G-Regel. „Sie wirkt aber nur, wenn sich alle daran halten“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. 

Die Ampel-Parteien wollen angesichts der steigenden Infektionszahlen schärfere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und die 3G-Regel in Bussen und Bahnen. „Das ist faktisch ein Lockdown für Ungeimpfte, der hier auf den Weg gebracht wird“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese am Montag im ZDF-Morgenmagazin zu den Plänen, die auch Grüne und FDP mittragen. Die 3G-Regel im Fernverkehr und im öffentlichen Nahverkehr soll festlegen, dass Ungeimpfte einen negativen Corona-Test vorlegen müssen, wenn sie Busse und Bahnen nutzen wollen.