Düsseldorf. Im Video-Interview spricht WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock mit dem Vorsitzenden der NRW-SPD, Thomas Kutschaty, über die Themen der Landtagswahl.
Thomas Kutschaty (53), SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in zwei Wochen, hat realistische Chancen, der nächste Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zu werden. Im Wahlkampf-Endspurt hetzt der Essener gerade von Termin zu Termin. Dennoch nahm er sich im „WAZ Video-Interview“ ein gute halbe Stunde Zeit, um Fragen von WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock und unserer Leserinnen und Leser zu beantworten. Kutschatys wichtigste Aussagen…
…zur Ukraine-Politik: Kutschaty lobte trotz viel Medienkritik die Besonnenheit von SPD-Kanzler Olaf Scholz. „Ich bin sehr dankbar, dass wir ihn als Kanzler haben, der nicht abends in Talkshows dem Ruf nach noch schwereren und dickeren Waffen folgt, sondern der klug sich abstimmt mit den Bündnispartnern, der darauf achtet, dass unsere eigene Verteidigungsbereitschaft aufrecht erhalten bleibt und die Situation nicht weiter eskaliert.“
…zum Vorwurf, die SPD habe ein Putin-Problem: Das Orakeln von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) über ein „Russland-Netzwerk“ der SPD tat Kutschaty als Polemik angesichts knapper Umfragen ab: „Herr Wüst hat ein Wahlkampfproblem, sonst würde er einen solchen Quatsch nicht verbreiten. Wir sind ganz klar: Wladimir Putin ist ein Aggressor und gehört vor ein Kriegsverbrecher-Gericht gestellt.“
Kutschaty: Ausbau der Erneuerbaren Energien muss beschleunigt werden
…zur Energiepolitik: Es sei in kurzer Zeit gelungen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas von 55 auf 35 Prozent zu reduzieren. Das müsse weitergehen, aber mit Bedacht, „damit unsere Wirtschaft nicht kollabiert“. Kurzfristig könne der Import von Flüssiggas aus anderen Weltregionen helfen, vor allem aber müsse der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt werden: „Da haben wir viel zu viel verpennt. Wir hätten schon viel mehr Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen, wenn es nicht den unsinnigen pauschalen 1000 Meter Abstandserlass geben würde.“
…zur Klage der Rentner, bei der Energiepauschale der Ampel außen vor zu bleiben: Jeder zweite Wohngeldempfänger in NRW gehöre zur Gruppe der Rentner, so dass diese einkommensschwache Gruppe zumindest berücksichtigt sei. Kutschaty versprach aber, dass man mit der Bundes-SPD gegebenenfalls noch einmal nachsteuern müsse, um mehr Ruheständlern beim Umgang mit den aktuell großen Preissteigerungen zu helfen.
…zum Dauerstreit um Doppelbeiträge: Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten und Altersvorsorgeverträge seien ein „Ärgernis“, bekannte Kutschaty, das ihm immer wieder begegne. „Ich gehe fest davon aus, dass die Bundesregierung das in Kürze noch einmal überprüfen wird und möglicherweise auch korrigieren wird.“
Groko in NRW sei "praktisch ausgeschlossen"
…zum Wahlziel: „Wir wollen stärkste Fraktion im nächsten Landtag werden und eine Landesregierung anführen.“ Es sei aber auch in der Geschichte der Bundesrepublik nichts Ungewöhnliches, wenn man von Platz zwei aus eine Regierung bilde. So habe das sozial-liberale Bündnis einst in Bonn stabil regiert, obwohl die Union damals stärkste Partei war. „Letztlich kommt es darauf an, wer kann nach dem 15. Mai eine regierungsfähige Mehrheit im Landtag organisieren“, so Kutschaty.
…zu einer Groko in NRW: Das Verhältnis zwischen SPD und CDU ist aktuell so vergiftet, dass eine Große Koalition praktisch ausgeschlossen ist. „Die Pöbeleien, die vom Fraktionsvorsitzenden der CDU kommen, sind schon außergewöhnlich“, sagte Kutschaty, der zuletzt von Bodo Löttgen mehrfach persönlich scharf attackiert wurde. Die Bildung einer Großen Koalition sei „überhaupt nicht auf der Tagesordnung“, das Ziel sei die Ablösung der CDU, versicherte Kutschaty.
…zur Wohnungspolitik: Sein Wahlziel von jährlich 100.000 neuen Wohnungen, davon 25.000 mietpreisgebunden, will Kutschaty vor allem durch „intelligentes Bauen“ erreichen. Lückenschlüsse, Wohnungen über Supermärkten, weniger Grundstückspekulationen, mehr Kreativität durch eine neue Landesbauordnung. Mehr Wohnungen müssten nicht zwangsläufig zu einer weiteren Flächenversiegelung führen. Bei der Grunderwerbsteuer sollen Familien künftig befreit werden.
Kutschaty verspricht mehr Verlässlichkeit im Schulalltag
…zur neuen Schulpolitik: Kutschaty will Schulpolitik wieder zum Hauptfach der Landesregierung machen und verspricht mehr Verlässlichkeit: „Keine Schulmail mehr am Freitagabend in die Lehrerzimmer mit Anweisungen, was am Montag umzusetzen ist. Kein Chaos mehr beim Testen.“ Außerdem soll es ein riesiges Investitionsprogramm des Landes für die Renovierung maroder Schulen und den Aufbau von 200.000 zusätzlichen OGS-Plätzen geben.
…zu privaten Einblicken im Wahlkampf: „Was uns prägt, motiviert uns fürs Leben.“ Die Jugend in der Essener Eisenbahner-Siedlung, das erste Abitur in der Familie, die frühe Vaterschaft noch während der Ausbildung – der eigene Lebensweg habe ihm den Wert des sozialdemokratischen Bildungsideals vor Augen geführt.
…zur ersten Amtshandlung: Als Ministerpräsident werde er sofort die von CDU und FDP geschleiften Mieterrechte wiederherstellen. Mehr Städte würden eine Mietpreisbremse bekommen. Außerdem werde er den „Krankenhausplan“ der Landes, der die Fusion und Schließungen von Kliniken wahrscheinlicher macht, sofort stoppen.
Über diese Themen und mehr hat WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock mit dem nordrhein-westfälischen SPD-Chef gesprochen. Im Interview verrät der Herausforderer, was er sich als erstes vornehmen würde, wenn ihm der Wahlsieg gelingt. In der Sendung wurden auch wieder eingesandte Zuschauerfragen beantwortet.
Das Interview ist Teil einer Serie von Interviews, in der WAZ-Chefredakteur Tyrock zuletzt mit der Grünen-Chefin Mona Neubaur und FDP-Chef Joachim Stamp gesprochen hat und am 6.5. mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zusammentreffen wird. (red/tobi)