Essen. In Essen spricht der Unions-Kanzlerkandidat über den Weg in die klimaneutrale Industrie. Doch der Wahlkampf lässt Laschet nicht los.

Morgens Bundestag, abends Essener Philharmonie: Die Wege des Wahlkämpfers Armin Laschet führen am Dienstag von einem großen Ballungsraum in den nächsten und wie so oft in diesen hektischen Tagen einmal quer durch die halbe Republik. Doch während Laschet sich im Berliner Parlament am Vormittag einen Schlagabtausch mit seinen Konkurrenten ums Kanzleramt liefern muss und draußen im Land die Demoskopen immer neue Tiefschläge für die Union und ihren Kanzlerkandidaten bereithalten, darf sich der Rheinländer im Politischen Forum Ruhr mitten im Revier zwei gute Abendstunden lang nicht nur thematisch fast wie zuhause fühlen.

Politische Kernbotschaft

„,Pulsschlag aus Stahl‘ im Green-Deal – Zukunftschancen der industriellen Herzkammer Europas“ lautete die Überschrift des Abends. Ein Thema, mit dem Laschet im Ruhrgebiet punkten kann. Klimaschutz und den Erhalt der industriellen Substanz Deutschland miteinander zu versöhnen – das gehört zur Kernbotschaft des Mannes, der künftiger Regierungschef der größten Volkswirtschaft Europas werden will.

Das Politische Forum hatte Thema und Referenten ursprünglich für den vergangenen Herbst eingeladen. Doch Corona machte den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung. Damals wäre Laschet „nur“ als NRW-Ministerpräsident gefragt gewesen. Es ist der Pandemie geschuldet, dass der CDU-Chef um bohrende Fragen zu ganz anderen Themen nicht herumkam.

800 Zuschauer in der Philharmonie

Zunächst aber streichelte Laschet die Ruhrgebietsseele. Wie keine andere in Deutschland sei diese Region durch Krisen geprägt und stecke seit Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen im Strukturwandel. Ob solidarischer Ausstieg aus der Kohleförderung, Bildung als Motor einer modernen Industrieregion oder die Mentalität, es als Region auch selbst schaffen zu wollen: „Vieles was wir hier lernen, kann ganz Deutschland helfen“, lobte Laschet und sicherte sich damit in der nach Corona-Maßstäben mit 800 Zuschauern voll besetzten Philharmonie einen satten Szenenapplaus.

Und gerade wenn es um den klimaneutralen Umbau des Industriestandortes Deutschland sieht Laschet das Revier in einer Vorreiterrolle. „Die Bedingungen für die Stahlerzeugung mit grüner Wasserstofftechnologie sind im Ruhrgebiet außerordentlich gut“, sagte der Ministerpräsident mit Blick auf entsprechende Pläne des Stahl- und Technologiekonzerns Thyssenkrupp, Hochöfen bereits in einigen Jahren nicht mehr mit Kohle, sondern mit Wasserstoff zu betreiben. Laschet: „Was wir hier machen, ist beispielhaft für die gesamte Republik.“

Offen ließ er freilich die auch unter den Zuschauern zirkulierende Frage, woher genau die ungeheuren Mengen Ökostrom kommen sollen, die für eine ausreichende Produktion des Gases im industriellen Maßstabe notwendig sind.

Beschleunigungsprogramm für Planungs- und Genehmigungsverfahren

Im anschließenden Talk mit WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock äußerte sich Laschet auch zu seinen Plänen im Falle eines Wahlsieges. Als erste wichtige Regierungsentscheidungen nannte Laschet ein Beschleunigungsprogramm für Planungs- und Genehmigungsverfahren, den Aufbau eines Digitalministeriums und insgesamt eine überarbeitete Ministeriumsstruktur. Mit einem Kanzler Armin Laschet dürfte das bisher dem Bundesinnenministerium unterstellte Thema Wohnungsbau wohl eine Aufwertung erfahren. Laschet: „Bauen wird eines der großen Themen werden.“ Doch Laschet gab auch den Realisten: Ein solcher Verwaltungsumbau werde sicher auf viele Widerstände stoßen, dennoch sei er dringend erforderlich.

Zum Schluss ging es dann doch noch um den Wahlkampf. Andreas Tyrock wollte den Kanzlerkandidaten nicht ziehen lassen ohne ein Wort zu den historisch schlechten Umfragewerten für die Union und für ihn selbst. Wie er denn gewinnen wolle, fragte Tyrock trocken. „Mit Argumenten“, entgegnete Laschet kurz. Die Umfragen? „Im Moment sind sie schlecht, ja das stimmt“, räumte er ein. „Aber wir setzen alles daran, das zu ändern.“

Info:

Seit über 30 Jahren gehört das Politische Forum Ruhr zu den wichtigsten Debattenforen im Ruhrgebiet. Die aus einer Privatinitiative des Essener Rechtsanwaltes und derzeitigen NRW-Europaministers Stephan Holthoff-Pförtner hervorgegangene Kongressreihe zählt nach eigenen Angaben zu den gesellschaftspolitischen Veranstaltungsreihen mit der nach eigenen Angaben größten Publikumsresonanz in Deutschland.