Düsseldorf. Wurde rechtzeitig gewarnt? Muss der Schutz besser werden? NRW-Innenminister kündigt eine „schonungslose Analyse“ der Schwachstellen an.

Nachdem sich die Lage in den Hochwassergebieten in NRW langsam beruhigt, wird die Frage laut, ob die Menschen rechtzeitig durch Wetterdienst, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und örtliche Behörden vor dem Extremwetter gewarnt wurden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wies am Montag Kritik an der föderalen Struktur des Katastrophenschutzes zurück. „Die Innenminister von Bund und Ländern sind sich darin einig, dass wir einen dezentralen Katastrophenschutz wollen“, sagte er bei einem Besuch der Steinbachtalsperre. Manche Kritik, die jetzt laut werde, sei „billige Wahlkampfrhetorik, fast schäbig“, so Seehofer.

Laschet spricht die Gefahr durch Stromausfälle an

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hält allerdings eine „genaue Analyse“, an welchen Stellen der Schutz der Bevölkerung verbessert werden könnte, für angebracht. Ein Problem sei zum Beispiel der Mobilfunk gewesen. „Die Frage ist: Wie können wir in einer digitalen Welt kommunizieren, wenn der Strom weg ist?“, sagte Laschet .

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte am Montag, die Zahl der Todesopfer habe sich in NRW auf 47 erhöht.  Reul erkennt zwar „keine grundsätzlichen Probleme“ beim Katastrophenschutz. Man müsse aber darüber nachdenken, wie die Warnsysteme verbessert werden können. Zu gegebener Zeit werde NRW dies „schonungslos, offen und ehrlich“ aufarbeiten.

Reul: "Menschen machen Fehler"

„Menschen machen Fehler“, so Reul. Das Wesen einer Naturkatastrophe sei aber ihre Unvorhersehbarkeit. Der Innenminister sieht sich darin bestätigt, in NRW „Warntage“ durchzuführen und neue Sirenen zu installieren und gab zu Bedenken: „Ich glaube, das allergrößte Problem ist nicht, dass nicht gewarnt wurde, sondern dass die Befindlichkeit ist: Wir leben in einer Super-Industriewelt, Katastrophen finden irgendwo anders statt.“

Die Stadt Hagen betonte, sie habe im Vorfeld der Katastrophe praktisch alle Register ziehen können, um die Bürger zu warnen: Bereits am Montag und in der Nacht von Montag auf Dienstag seien Feuerwehren und Krisenstab in Alarmbereitschaft gewesen, die Bürger seien durch Sirenen über eine Gefahr informiert worden, darüber hinaus per Warn-App, soziale Medien und LED-Werbetafeln.

Wetterdienst beteuert: "Früher warnen ging eigentlich nicht"

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) beteuerte, er habe bereits am Montag eine Vorabinfo herausgegeben, aus der hervorging, dass mit bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmeter zu rechnen sei. „Früher ging es eigentlich nicht“ sagte Franz-Josef Molé vom DWD.

Die FDP im Bund machte Bundesinnenminister Seehofer für ein „Systemversagen“ beim Bevölkerungsschutz verantwortlich. „Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürger kommuniziert worden, sagte FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer.

Feuerwehrverband: Bereitschaften haben sich bewährt

Christoph Schöneborn, Geschäftsführer des NRW-Feuerwehrverbandes, sagte dieser Redaktion, es sei im Einsatz auch vieles gut gelaufen. Zum Beispiel habe sich das flächendeckende System der Feuerwehr-Bereitschaften sehr bewährt. Erstmals seien alle Bereitschaften gleichzeitig im Einsatz gewesen.  Wenn die unmittelbare Katastrophenhilfe abgeschlossen sei, müsse analysiert werden, an welchen Stellen der „Warn-Mix“ aus Apps, Sirenen, Rundfunkinformationen und Lautsprecheransagen besser werden sollte.

Dortmunder Dezernent rät zum Ausbau des Warnsystems

Dortmunds Ordnungsdezernent Norbert Dahmen sieht an verschiedenen Stellen Verbesserungsbedarf beim Katastrophenschutz. Deutschlandweit müsse ein "flächendeckendes allgemeines Warnsystem" inklusive Sirenen aufgebaut werden, sagte er dieser Redaktion. Alle Helfer -- professionelle Rettungskräfte und Ehrenamtler -- müssten angemessen ausgestattet und in ihrer Ausbildung bestmöglich auf solche Situationen vorbereitet werden.

Laut Dahmen sollten sich Bund, Länder und Kommunen auch besser auf großflächige und anhaltende Stromausfälle einstellen, deren Auswirkung in einer Zeit der Digitalisierung besonders verheerend sein könnten. Der Dezernent erinnerte an die Stromausfälle im Münsterland im Winter 2005 und an den Blackout in Köpenick im Jahr 2019, der zahlreiche Mängel beim Katastrophenschutz offenlegte. (mit dpa)