Düsseldorf. Der Kampf gegen die Pandemie könnte im Land professioneller sein, heißt es im Kommunalrat des Ruhrgebiets. Ein Krisenstab müsse her.

Immer lauter wird die Forderung aus Rathäusern und Landtags-Opposition, NRW möge angesichts der sich zuspitzenden Coronalage einen richtigen Krisenstab einrichten, der mit den Städten und Kreisen zusammenarbeitet. „Aktivieren Sie den Krisenstab des Landes“ rief Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul am Donnerstag im Landtag in Richtung Regierungsbank.

Was ist ein Krisenstab?

Ein Krisenstab ist eine Runde, in der Menschen sitzen, die staatliche Hilfe organisieren, um eine schwere Krise zu bewältigen. Zum Beispiel eine Naturkatastrophe, einen Terroranschlag oder einen schweren Stromausfall. Vertreter von Politik und Verwaltungen sitzen in diesen Stäben, oft auch Experten aus Sicherheitsbehörden und von Rettungsdiensten. Einer der bekanntesten in der Geschichte der Bundesrepublik war der „Große Krisenstab“ der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer durch RAF-Terroristen.

Hat NRW einen Corona-Krisenstab?

Nein, zumindest keinen, der so heißt. Die NRW-Landesregierung hat einen so genannten „Krisenkoordinationsrat“ (KKR), der mindestens wöchentlich, oft auch spontan tagt, wenn es einen konkreten Anlass gibt, so ein Sprecher der Staatskanzlei. Diesem Rat gehören die Staatssekretäre der Ressorts an, z. B. aus dem Gesundheits-, Innen- und Schulministerium. Es gibt in NRW auch einen „Expertenrat-Corona“ mit Juristen, Ökonomen, Medizinern und Soziologen, aber das ist kein Krisenstab. Er gibt unverbindliche Empfehlungen zum Umgang mit der Pandemie.

Ist der Verzicht auf einen Krisenstab in NRW breit akzeptiert?

Nein. Vor allem in den NRW-Kommunen ist immer wieder die Frage zu hören, warum sie nicht regelmäßig in einem solchen Stab mitreden können. Schließlich müssen Städte und Kreise die Corona-Schutzverordnung vor Ort umsetzen und die Einhaltung der Coronaregeln kontrollieren. Sie sind auch als Schulträger und städtische Kitas direkt von politischen Entscheidungen zur Coronakrise betroffen.

Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) sagte als Vorsitzender des Ruhrgebiets-Kommunalrates dieser Redaktion: „Seit einem Jahr kritisieren wir, dass es in NRW keinen Landes-Krisenstab gibt. Die Folge ist zum Beispiel, dass das NRW-Gesundheits- und das -Schulministerium die Beschlüsse von Bund und Ländern unterschiedlich interpretieren. Es gibt keine Klarheit, und das ist ein Riesenproblem. Wir brauchen einen echten Landes-Krisenstab, damit die Landesregierung zu einer einheitlichen Linie findet. Noch besser wäre es, wenn die Kommunen mit in diesem Krisenstab säßen.“

Essens OB Thomas Kufen (CDU) geht in seiner Kritik nicht so weit wie sein Kollege Eiskirch, stellt aber zum Thema Krisenmanagement fest, dass die Kooperation der Städte mit der Landesregierung nicht immer so reibungslos funktioniere wie gewünscht: „Die Zusammenarbeit mit dem NRW-Gesundheitsministerium ist mittlerweile exzellent. Das Schulministerium kann sich davon eine Scheibe abschneiden. Wir sind manchmal schon froh, wenn Schulen uns die Schulmails zur Verfügung stellen, weil die Kommunen als Schulträger sie oft gar nicht oder verspätet bekommen. Das geht so nicht.“ Die Großstädte und Kreise in NRW verfügen übrigens über eigene Corona-Krisenstäbe.

NRW-Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) forderte am Donnerstag im WDR für ein besseres Krisenmanagement in Deutschland „übergreifende und interdisziplinäre Krisenstäbe“ mit erfahrenen Experten. Die könnten im Kampf gegen die Pandemie mehr leisten als die Runde der Ministerpräsidenten oder diverse Bundestagsausschüsse. Grünen-Fraktionschefin Paul konterte: „Machen Sie doch einfach mal. Nicht fordern, Herr Stamp, den Krisenstab des Landes kann die Landesregierung übrigens einfach einsetzen.“

Haben andere Bundesländer Corona-Krisenstäbe?

Ja, aber Art und Zusammensetzung dieser Stäbe gleichen einem föderalen Flickenteppich. Viele Länder lassen sich nicht richtig in die Karten schauen, zum Beispiel Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und das Saarland haben ihre Krisenstäbe relativ breit aufgestellt. In Bayern sitzen zum Beispiel Polizei und Katastrophenschutz regelmäßig mit am Tisch. Im Saarland nehmen neben Vertretern der Landesregierung auch Landräte, die Krankenhausgesellschaft, Kassenärzte, die Pflegegesellschaft, Rettungskräfte und Virologen teil.

Gibt es einen Corona-Krisenstab des Bundes?

Ja, in ihm sitzen Experten des Bundesinnen- und des Bundesgesundheitsministeriums. Er erstellt unter anderem Corona-Lagebilder für Behörden.