Düsseldorf. Wann gibt's frühestens den “Booster“? Die NRW-Regierung rudert nach heftiger Kritik zurück: Aus vier Wochen Mindestabstand werden vier Monate.

Nur zwei Tage nach ihrem Aufsehen erregenden „Booster-Erlass“ hat die Landesregierung am Mittwoch eine Kehrtwende in der Corona-Politik vollzogen: In den kommunalen Impfstellen sollen sich doch nur Menschen eine Auffrischung spritzen lassen können, „deren Grundimmunisierung mindestens vier Monate zurückliegt“. Empfohlen werden nun sogar fünf Monate Abstand. Nur in Einzelfällen „aufgrund einer medizinischen Indikation“ soll auch schon nach vier Wochen geboostert werden.

Das hat das NRW-Gesundheitsministerium in einem neuen Erlass korrigiert. Am Montag noch hatte die Landesregierung mit der Nachricht bundesweites Aufsehen erregt, dass in NRW Boostern für alle schon nach nur vier Wochen Abstand zur Zweitimpfung möglich sei. Obwohl Ärzte das umgehend für unsinnig erklärten, verteidigte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die neue „Untergrenze“ am Dienstag offensiv.

Laumann zum Booster-Erlass: "Schlicht und ergreifend ein Fehler passiert"

24 Stunden später erfolgte dann die Rolle rückwärts mit einem wieder massiv eingeschränkten Kreis der Booster-Berechtigten. Eine Impfung frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis sei ausschließlich „für immundefiziente Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort als Optimierung der primären Impfserie zu ermöglichen“, heißt es im überarbeiteten Erlass.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) räumte in einer Fragestunde des Düsseldorfer Landtags am Mittwoch eine missverständliche Formulierung im Erlass zu den Booster-Impfungen ein. „Hier ist ganz schlicht und ergreifend im Erlass ein Fehler passiert“, sagte Laumann. Dafür trage er die politische Verantwortung.

Mit seinem Erlass zu Booster-Impfungen hat das NRW-Gesundheitsministerium für Aufregung und Irritationen gesorgt. Am Mittwoch ruderte die Landesregierung zurück. Außer in medizinisch begründeten Ausnahmefällen darf frühestens nach vier Monaten die Auffrischungsimpfung verabreicht werden.
Mit seinem Erlass zu Booster-Impfungen hat das NRW-Gesundheitsministerium für Aufregung und Irritationen gesorgt. Am Mittwoch ruderte die Landesregierung zurück. Außer in medizinisch begründeten Ausnahmefällen darf frühestens nach vier Monaten die Auffrischungsimpfung verabreicht werden. © Ingo Otto/FUNKE Foto Services | Unbekannt

Booster-Impfungen: Massive Kritik an "Kommunikations-Chaos"

Zur Bekämpfung der Omikron-Variante sei man „sehr daran interessiert, dass sich viele Menschen so schnell boostern lassen, wie dieses nach den aktuellen Erkenntnissen sinnvoll ist“, erklärte Laumann.

SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sprach von einem „kommunikativen Desaster“, Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul von einem „Kommunikations-Chaos“. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Ministerpräsident Wüst zutiefst populistische Aussagen vor: Er habe Erwartungen geweckt, die gar nicht erfüllt werden könnte, so Vorstand Eugen Brysch.

Booster-Verwirrung in Arztpraxen und lange Schlangen vor Impfstellen

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) übte ebenfalls scharfe Kritik: „Möglicherweise ist da etwas falsch verstanden worden“, sagte KVNO-Vorstand Dr. Frank Bergmann über das NRW-Gesundheitsministerium. Die Nachricht, man könne sich schon nach vier Wochen eine Auffrischungsimpfung geben lassen, habe vorübergehend zu „Irritationen in den Praxen und langen Schlangen vor den Impfstellen“ geführt. Es habe enttäuschte Patienten gegeben, die geboostert werden wollten und ungeimpft nach Hause gehen mussten.

Die neue Frist von vier Monaten für die Booster-Impfung sei eine „politische Entscheidung“, geschuldet offenbar der Sorge vor der Omikron-Virusvariante. Aus virologischer und medizinischer Sicht sei ein Abstand von fünf bis sechs Monaten zwischen Zweit- und Booster-Impfung weiter sinnvoll.

Virologe Dittmer: Zu frühe Booster-Impfung nicht sinnvoll

Mit dem Fortschritt der Impfkampagne sind die Kassenärzte in Nordrhein dagegen zufrieden. In der vergangenen Woche sei so viel geimpft worden wie noch nie in der Pandemie. Das bundesweite Ziel von 30 Millionen Impfungen bis Jahresende dürfte im Bereich Niederrhein „locker“ erreicht werden. Man rechnet hier mit etwa drei Millionen Immunisierungen in diesem Zeitraum. Die Praxen impften „wie die Weltmeister“, so Bergmann. Sorgen bereitet der KVNO der mögliche Impfstoff-Mangel. In der Impfkampagne jage leider „ein Desaster das andere“.

Auch Virologe Ulf Dittmer vom Essener Universitätsklinikum hatte unserer Redaktion am Dienstag gesagt, er sei „verwundert“ über den Erlass. „Es macht aus Sicht unseres Immunsystems keinen Sinn, den Booster zeitlich immer schneller nach der Zweitimpfung anzubieten“, so der Professor.

Auch an Weihnachten und Neujahr kann geimpft werden

Die Impfkampagne wird auch am letzten Plenartag am Donnerstag noch einmal Thema im Landtag. In einer Aktuellen Stunde wollen die Grünen Antworten von der Landesregierung, wie sie konkret das Tempo beim Impfen steigern will. Eine Forderung der Grünen ist im Vorfeld bereits erfüllt worden: Der neue Erlass der Landesregierung ermöglicht es den Kreisen und kreisfreien Städten unterdessen, auch an den Weihnachtsfeiertagen und am Neujahrstag zu impfen. „Auf konkreten Wunsch einzelner Kommunen“ werde es erlaubt, „Impfangebote auch am 1. und 2. Weihnachtstag sowie am Neujahrstag zu organisieren.“ (mit dpa)