Essen.. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz fürs Kleinkind naht - doch der Ausbau der Einrichtungen hält nicht Schritt mit dem steigenden Bedarf. Besonders im Ruhrgebiet dürfte die Nachfrage groß sein - das Betreuungsgeld dürfte berufstätige Eltern oder jene, die gern einen Job suchen würden, nicht trösten.
In Nordrhein-Westfalen ist die Aufholjagd beim Ausbau der Kita-Betreuung im vollen Gang. Das ist auch bitter nötig angesichts der schlechten Betreuungsquoten, daran lässt auch Familienministerin Ute Schäfer (SPD) keinen Zweifel. Noch, so heißt es aus ihrem Ministerium, fehlten 27.000 Krippenplätze.
Doch sie sei „sehr optimistisch“, dass NRW den Rechtsanspruch auf einen Platz erfüllen werde, so die Ministerin.
Aus Träger- und Elternsicht lässt sich dieser Anspruch kaum erfüllen. Bestätigt werden die Befürchtungen von der Statistik. Familienministerin Schröder versucht derweil mit Blick auf die Bundestagswahl 2013, zu retten, was zu retten ist.
Sorgen einer Ministerin . . .
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat zu Recht Sorge, dass im Sommer enttäuschte Eltern gegen die Kommunen klagen, aber die Schuld auch an der Familienpolitik der Bundesregierung festmachen. Ab August haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz – der Termin fällt in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs.
Schröder ist klug genug, die Verantwortung nicht nur bei den Ländern zu suchen, sondern selbst draufzusatteln – mit zusätzlichen Geldern und zinsgünstigen Krediten. „Wir helfen an jeder Stelle.“ Sie weiß aber auch: Berufstätige Großstadteltern, die im nächsten Sommer keinen Krippenplatz bekommen, werden sich von der CDU nicht durch ein Betreuungsgeld trösten lassen.
. . . und die eines Kita-Trägers
Natürlich sei in den vergangenen Jahren zu wenig getan worden, um das Ziel, den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, zu erreichen, sagt Peter Wenzel, Chef der katholischen Kindergärten im Bistum Essen. Nun könnten die Kommunen nur noch von einer Klagewelle verschont werden, wenn Qualitätsstandards abgebaut würden. Die Opfer seien dann die Kinder, doch: „Pädagogischer Unfug wird durch Not nicht richtig“, erklärt der Leiter des Kita-Zweckverbandes.
Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfe es aber nicht nur um Kinderbetreuung gehen. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ In der Pflicht seien auch die Arbeitgeber. „Die müssen für familienfreundliche Arbeitszeiten sorgen.“
So viel Betreuung ist gefragt
Das Deutsche Jugendinstitut in München hat im Sommer Eltern nach ihren Wünschen gefragt. In NRW soll demnach jedes dritte Kleinkind (33,9 Prozent) eine Krippe besuchen. Damit liegt das Land unter dem Bundesdurchschnitt von 39 Prozent. In Ostdeutschland und einigen Großstädten liegt die Quote über 50 Prozent.
Die Wünsche ändern sich mit dem Alter des Kindes: In NRW sollen 6,4 Prozent der unter Einjährigen in die Krippe, aber 37 Prozent der Einjährigen und 58 Prozent der Zweijährigen. Ein Viertel der Eltern hätte gerne einen Ganztagsplatz (bis zu 45 Stunden), ein weiteres Viertel einen Halbtagsplatz (bis 35 Stunden) und jeder Zweite eine Betreuung von weniger als 25 Wochenstunden.
Erfahrungen einer Mutter
Der kleine Kijan war fünf Monate alt, als seine Mutter sich entschloss, wieder arbeiten zu gehen. „Ich habe alle Kitas der Umgebung abgeklappert“, erzählt Krasimira Samblowsky. 18-mal hat sie Kijan auf die Wartelisten in Essen-Rüttenscheid und Essen-Holsterhausen setzen lassen, 18-mal Gespräche mit der Kita-Leitung geführt.
„Mal bekam ich Absagen ohne Begründung, mal hörte ich gar nichts mehr“, sagt sie. Warum wer wann einen Platz bekommt oder eben nicht – völlig undurchsichtig. „Irgendwann war ich total mutlos und glaubte nicht mehr daran, einen Platz zu finden.“ Dass der inzwischen zweijährige Kijan seit August in eine Kita geht und seine Mutter einen Job gefunden hat, „ist wirklich großes Glück“.