Berlin.. Die Zahl der Kitaplätze ist bis März 2012 auf 558.000 gestiegen. Zur Erfüllung des Rechtsanspruchs im August 2013 müsste der Ausbau erheblich beschleunigt werden. Deutschlandweit fehlen 220.000 Plätze für Kinder, NRW bleibt Schlusslicht. Und der Städtetag plädiert für eine Aufweichung des Rechtsanspruchs.
Die deutschen Städte und Gemeinden sind weit von dem vereinbarten Ziel entfernt, bis August 2013 ausreichend Betreuungsplätze für Kleinkinder zur Verfügung zu stellen. Um wie verabredet für 780.000 der unter Dreijährigen Betreuungsangebote zu schaffen, müssten noch rund 220.000 Plätze entstehen, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Berlin mitteilte. „Der Zuwachs muss binnen 18 Monaten damit stärker ausfallen als in den letzten vier Jahren insgesamt“, sagte Behördendirektor Karl Müller.
Kinder von ein bis drei Jahren haben ab 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kinderkrippe, einer Kita oder bei einer Tagesmutter. Der Anspruch gilt bundesweit.
Die Betreuungsquote der unter Dreijährigen lag im März bei 27,6 Prozent
Wie Destatis weiter mitteilte, wurden am 1. März 558.000 Kinder unter drei Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Das waren 44.000 Kinder mehr als im Vorjahr. Die Betreuungsquote der unter Dreijährigen, also der Anteil der Kinder in Kindertagesbetreuung an allen Kindern dieser Altersgruppe, lag den Angaben zufolge im März 2012 bei 27,6 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es noch 25,2 Prozent.
Seit dem Krippengipfel von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2007 gab es laut Destatis bei den Kindern unter drei Jahren insgesamt den höchsten Zuwachs der Betreuungsquote in Schleswig-Holstein. Sie stieg hier binnen fünf Jahren um 16 Punkte auf 24,2 Prozent. Überdurchschnittlich hohe Zuwächse gab es den Angaben zufolge auch in Niedersachsen (plus 15,2 Punkte) und Rheinland-Pfalz (plus 15 Punkte).
Sachsen-Anhalt vorn, NRW Schlusslicht
Die höchsten Betreuungsquoten weisen der Statistik zufolge jedoch nach wie vor die ostdeutschen Flächenländer auf. Hier lagen die Quoten ausnahmslos deutlich über 45 Prozent. Von den westdeutschen Flächenländern hatte Rheinland-Pfalz mit 27 Prozent die höchste Betreuungsquote. Der Stadtstaat Hamburg erreichte einen Wert von 35,8 Prozent.
Nordrhein-Westfalen hinkt beim Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter hinterher. In keinem anderen Bundesland ist die Betreuungsquote von unter Dreijährigen so niedrig wie in NRW, wie aus den Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Demnach wurden zum Stichtag 1. März 18,1 Prozent der Kinder unter drei Jahren in einer Kindertageseinrichtung betreut.
Dass NRW als bundesweites Sorgenkind beim Kita-Ausbau gilt, lässt Familienministerin Ute Schäfer (SPD) allerdings nicht auf sich sitzen. Bei der Bundesstatistik handele es sich um ein "bereits überholtes Zahlenwerk" aus dem vergangenen Kindergartenjahr und NRW sei "erheblich weiter", als in den Zahlen zum Ausdruck komme, erklärte die Ministerin am Dienstag in Düsseldorf. Demnach gebe es momentan 117.000 Betreuungsplätze und eine Quote von rund 26 Prozent. Obwohl NRW mit den neuen Zahlen noch immer unter dem Durchschnitt der März-Statistik liegt, spricht Schäfer von einer "Trendwende".
Städte wollen Rechtsanspruch aufweichen
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, plädiert aufgrund der neuen Zahlen dafür, den von Sommer 2013 an geltenden Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder unter drei aufzuweichen. Landsberg unterstützt eine Forderung der Städte in Baden-Württemberg, den Anspruch zunächst nur für Zweijährige gelten zu lassen und erst in einem nächsten Schritt auf Einjährige auszuweiten. Durch eine solche "Stufenlösung" könne der Gefahr begegnet werden, "bei den betroffenen Eltern falsche Erwartungen zu schüren".
Landsberg rechnet allerdings nicht damit, dass sich vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestags- und Landtagswahlen im nächsten Jahr politische Mehrheiten für eine schrittweise Einführung des Rechtsanspruchs finden würden. Er schlug deshalb "flexible Lösungen" vor, die sich kurzfristig umsetzen ließen. Hierzu gehöre beispielsweise die kurzfristige Vergrößerung der Gruppen, aber auch das vorübergehende Aussetzen von gewissen baulichen Standards, sagte er "Handelsblatt Online".
Nicht überall werde es zudem möglich sein, einen Ganztagesplatz zu gewähren, "und die Eltern müssen sich darauf einstellen, dass sie nicht überall den Wunschkitaplatz um die Ecke erhalten können", sagte Landsberg. "Insofern erwarten die Kommunen von Eltern auch eine gewisse Flexibilität."
Die damalige große Koalition aus Union und SPD hatte 2007 beschlossen, dass ab Sommer 2013 auch Kleinkinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz haben sollen.
Zu wenige neue Tagesmütter und -väter
Nicht erfüllt wurden insgesamt die gesetzlich festgelegten Pläne für den Ausbau der Kindertagespflege. 30 Prozent der neuen Betreuungsplätze sollten bei Tagesmüttern und -vätern entstehen. Tatsächlich waren es laut der Statistik aber nur rund 20 Prozent.
Der Deutsche Städtetag geht angesichts der Zahlen davon aus, dass die Ziele für den Ausbau der Betreuungsplätze zum Teil verfehlt werden. "In einer Reihe von Kommunen wird sich der Rechtsanspruch zum Sommer 2013 erfüllen lassen, doch trotz aller Anstrengungen werden in einem Teil der Städte Lücken bleiben", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus.
Er warnte vor Klagen von Eltern ab dem kommenden Sommer, die keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden. "Bund und Länder stehen hier mit in der Pflicht, mögliche Klagewellen und Schadenersatzansprüche zu verhindern", sagte er.
Eine gute Nachricht hatten die Statistiker für die Betreuung der Drei- bis Fünfjährigen zu vermelden. Hier gebe es bundesweit "fast eine Vollversorgung", sagte Müller. 93,4 Prozent aller Kinder von drei bis fünf Jahren gehen in eine Kita oder zur Tagesmutter. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind dabei gering. (dapd)