Berlin. In der deutschen Presse ist der TV-Auftritt von Bundespräsident Christian Wulff nicht gut angekommen. “Für diesen Präsidenten ist das Amt drei Nummern zu groß“, schreibt die “Märkische Oderzeitung“. Die Süddeutsche sagt, Wulff sei der erste Präsident, der sich selbst begnadigt.
Die mit Spannung erwarteten Äußerungen von Bundespräsident Christian Wulff in einem Fernsehinterview zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen stoßen bei den meisten Zeitungskommentatoren auf vernichtende Kritik. Die Begründungen zur Kreditaffäre sowie zur versuchten Einflussnahme auf Journalisten reichten nicht aus, hieß es in den Tageszeitungen. Der Fernsehauftritt in ARD und ZDF scheint die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten kaum wiederherzustellen.
Wulff sei "ein Präsident Laokoon - einer, der sich in seinen Widersprüchen verwickelt hat", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" in München. Er sei ein Präsident, der sich in seiner Schwäche an seinem Amt festhalte, weil ihm das Amt den Halt gibt, den er ansonsten nicht habe. Wulff sei der erste Bundespräsident, der sich selbst begnadige, hieß es.
"Eine gute Amtszeit wird ihm nicht mehr vergönnt sein"
"Ein Bundespräsident kann sich nicht leisten, was Wulff sich wohl in einem Anfall von Panik geleistet hat", urteilte die "Westdeutsche Zeitung" in Düsseldorf. Also sei er abermals in die Offensive gegangen. Gebracht habe es nichts außer der Erkenntnis, dass Wulff um sein Amt kämpfe wie ein Löwe. Kanzlerin Angela Merkel stünde als Verliererin da. Also mache der Bundespräsident weiter. "Doch eine gute Amtszeit wird ihm nicht mehr vergönnt sein", schrieb die Zeitung.
"Die Winkelhuberei, mit der Wulff ein privates Finanzengagement verteidigte, das in seinem Amt eben nur privat nicht mehr war, passte nicht zum Amt", kommentierte die "Welt" in Berlin. Fraglos hätten auch andere in dieser Affäre Fehler gemacht. Fraglos aber sei der Bundespräsident derjenige, der Deutschland auch in solcher Zeit am meisten den Maßstab vorleben müsse.
Die "Berliner Zeitung" sieht den Ruf des Bundespräsidenten stark beschädigt. "Sein Thema müsste die Glaubwürdigkeit sein, mit der die Politik die Lösung dieser Probleme angeht", schrieb die Zeitung. Wie aber solle das einer tun, der seine eigene Glaubwürdigkeit so beschädigt habe? Dem das private Schnäppchen wichtiger gewesen sei als die Distanz zu fragwürdigen Beziehungen?
"Für diesen Präsidenten ist das Amt drei Nummern zu groß"
"Für diesen Präsidenten ist das Amt mindestens drei Nummern zu groß", kritisierte die "Märkische Oderzeitung" in Frankfurt (Oder) hart. Einfluss und Ansehen ließen sich nur durch Vertrauen erreichen. Genau das Vertrauen auf seine Worte habe Wulff auch mit dem Fernsehauftritt nicht wiedergewonnen. Dieser Bundespräsident bleibe weitgehend sprachlos. "Dadurch bleibt das oberste Verfassungsorgan nur noch dem Spott seiner Bürger ausgesetzt."
Die "Südwest Presse" in Ulm kommentierte: "Ohne die schützende Hand Angela Merkels gäbe es den Bundespräsidenten Christian Wulff nicht mehr." Zu desaströs sei das Echo auf das Krisenmanagement eines Staatsoberhaupts, das schon die Nerven verliere, wo zwar seine persönliche Integrität zur Debatte steht, aber keineswegs das Schicksal der Nation. Auch nach dem TV-Interview werde der Chor der Kritiker, Zweifler und Spötter nicht verstummen. "Zumal man damit rechnen müsse, dass es weitere Anlässe für Wulff geben könnte, vergangenes Fehlverhalten zu bedauern", hieß es. (dapd)