Berlin.. Erste Stimmen raten dem künftigen Präsidenten, nun zum Standesamt zu gehen. Lebensgefährtin Daniela Schadt gibt sich bedeckt über etwaige Heiratspläne. Westerwelle reagiert empört auf die Debatte.

Ob sie demnächst neben Michelle Obama sitzen wird, wie es beim Damenprogramm üblich ist? „Ein bisschen unwirklich“ ist es für Daniela Schadt schon, für die designierte First Lady. „Ich muss mich noch ein bisschen sortieren“, gesteht sie in einem Interview mit den „Nürnberger Nachrichten“. Meint Norbert Geis auch. Mit der wilden Ehe von Joachim Gauck und Schadt kann sich der CSU-Politiker schwer anfreunden. Er drängt das Paar, bald seine Lebensverhältnisse zu ordnen: Geis rät Gauck und Schadt zum Schritt vor den Altar.

Er trat gestern eine kurze heftige Debatte los. Und: Er ist allein, zumindest in der Öffentlichkeit. „Halt den Mund“, ruft der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz seinem Kollegen zu, „als ob wir keine Sorgen hätten!“ Der Chef der Linkspartei, Klaus Ernst, twittert: „Was für eine mittelalterliche Debatte.“ Derweil gibt Grünen-Fraktionsmanager Volker Beck zu bedenken, es bilde einen Teil der Realität ab, „dass auch Unverheiratete zusammen leben“. Gaucks Privatleben sei schon geordnet.

Nur eben: Anders geordnet.

Wie Wanderdünen haben sich die Konventionen im Laufe der Zeit bewegt. In der Gesellschaft weht seit Jahren ein neuer Wind. Das Land wird von einer Frau in zweiter Ehe regiert und von einem schwulen Außenminister vertreten. Der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff hatte die Patchwork-Familie im Schloss Bellevue eingeführt.

Schreibt die Etikette den Gang zum Standesamt vor?

Eine wilde Ehe ist neu im Präsidialamt; wo auf den Partner des Staatsoberhaupts besondere Pflichten bei der Repräsentation zukommen.

Schreibt die Etikette in Schloss Bellevue etwa einen Gang zum Standesamt vor? Schadt wehrt Fragen dazu ab, ob sie heiraten wird. Es ist der Journalistin zu privat, es zu „ventilieren“. Gauck hatte 2010 eine Hochzeit nicht ausgeschlossen. Von ihm kennt man wenig Privates, eigentlich bloß, dass er seit 1991 von seiner Ehefrau getrennt lebt. Zumindest stimmte das noch 2010. Ob sie längst geschieden sind? Auch das ist unbekannt.

CSU-Mann Norbert Geis ist ein Konservativer alter Schule. Er ist sich für einen provokativen Zwischenruf nie zu schade. So gibt er nun via „Welt“ den Ratschlag an Gauck – aus Fürsorge. Denn Geis ist der Meinung, dass es im Interesse des ersten Mannes im Staat selber liege, seine Verhältnisse zu ordnen, „damit insoweit keine Angriffsfläche geboten wird“. Für wen eigentlich? Für Geis etwa?

Westerwelle spricht aus eigenem Erleben

„Stillos“, klagt Außenminister Guido Westerwelle in der „Rheinischen Post“. Es ist sein Beitrag zur Gauck-Debatte. Als die FDP-Spitze sich am Sonntag telefonisch kurzschloss, hatte einzig ihr früherer Parteichef keinen Anschluss gefunden. Deutschland sei ein modernes Land, betont Westerwelle nun. Er spricht aus eigenem Erleben.

Andere Politiker wollten sich nicht äußern. Viele waren im Karneval oder auch im Ausland unterwegs. Wolfgang Thierse konnte der Frage vor laufenden TV-Kameras nicht ausweichen. „Ich unterstelle mal“, setzt der Bundestag-Vizepräsident in N24 an, „dass er seine Lebenspartnerin auch liebt“. Denn die Frau, mit der man zusammenlebe, könne man doch auch heiraten. Schadt ist schon Gaucks First Lady, dann soll sie es auch offiziell für alle Bundesbürger werden. „Das ist ja dann der Vollzug. Also, ich würde daraus keine Staatsaffäre machen“, so der SPD-Politiker.

„Unbarmherzige Ausleuchtung des Privatlebens“

Eine Affäre machte keiner daraus. Die Kirchen zum Beispiel halten sich zurück, die Protestanten gewiss auch aus Solidarität mit ihrem Theologen – und die Katholiken aus Rücksicht auf die evangelische Kirche? Schadt und Gauck bekommen unterdessen einen Eindruck davon, wie es so ist, wenn man in der Präsidenten-Klasse spielt: Nichts ist privat, kein Hausbau, nicht die Lebensverhältnisse.

Einspruch, ruft Alois Glück, CSU-Mann wie Geis und außerdem Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er sei in großer Sorge über eine „unbarmherzige Ausleuchtung des Privatlebens“, erzählt er. Es könne Bewerber für öffentliche Ämter abschrecken. „Es muss noch ein Privatleben geben.“ Und wer sagt es Geis?