Düsseldorf. Nach dem Skandal um rechtsextreme Polizisten wird der Ruf nach neutraler Kontrolle lauter: Polizisten benötigten unabhängige Ansprechpartner.
Nach den Polizeiskandal um rechtsextreme Beamte in NRW stellen Experten jetzt die Frage, wer eigentlich die Polizei und die Einstellungen der Polizisten kontrolliert. „Wir müssen weg vom Zustand der polizeilichen Selbstkontrolle. Polizisten brauchen unabhängige Stellen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können. Unabhängige Polizeibeauftragte können dies leisten“, sagte die Bundestagsabgeordnete und Ex-Polizistin Irene Mihalic (Grüne) dieser Redaktion.
Der Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, begrüßte zwar die Berufung des Verfassungsschützers Uwe Reichel-Offermann zum Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der NRW-Polizei durch NRW-Innenminister Herbert Reul. Er sagte aber dieser Redaktion: „Es wäre noch besser gewesen, einen Beauftragten von außen ins Innenministerium zu holen, zum Beispiel einen früheren Richter oder Staatsanwalt.“
Warum keine Ansprechpartner „von außen“?
Der NRW-Innenminister hat den Verfassungsschützer Uwe Reichel-Offermann zum „Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der NRW-Polizei“ ernannt. Der Verfassungsschutz gehört aber, wie die Polizei, zum Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Nach diversen Fällen von Rechtsextremismus bei der Polizei Hamm hatte Innenminister Reul alle 50 Polizeibehörden in NRW dazu verpflichtet, Extremismusbeauftragte zu benennen. Diese Ansprechpartner für Polizisten, die Verdächtiges melden wollen, kommen allerdings nicht „von außen“, sondern aus den Behörden selbst.
Und wenn ein Polizist zum Beispiel in Verdacht gerät, aus rassistischen Motiven Menschen diskriminiert zu haben, übernehmen Beamte einer anderen Polizeibehörde die Aufklärung der Vorwürfe, nicht aber eine neutrale Stelle, die nicht bei der Polizei angesiedelt ist.
Fast keine anonymen Whistleblower-Kommunikationsangebote
Der renommierte Kriminologe Prof. Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum forderte am Donnerstag anonyme Meldeverfahren für interne Missstände. „Man kann sich ja nicht vorstellen, dass so ein Netzwerk innerhalb der Polizei niemandem aufgefallen ist“, sagte er. „Aber wenn einer etwas bemerkt, gilt bisher in der Regel der offizielle Dienstweg. Zugleich wird das ,Anschwärzen’ von Kollegen in der Polizei nach wie vor nicht goutiert.“ Anonyme Whistleblower-Kommunikationsangebote gebe es bei der Polizei nur in zarten Anfängen, sagte Singelnstein.
Manche Beamte werden im Laufe der Dienstjahre zu Rassisten
Auf Nachfrage dieser Redaktion nannte der Professor zwei Thesen zur Entstehung rechter Strukturen in der Polizei, die aus seiner Sicht begründet seien. „Erstens: Die Polizei ist kein Spiegelbild der Gesellschaft, sondern zieht in besonderem Maß Menschen an, die eher konservativ und ordnungsliebend sind, teilweise dann auch mit einer Offenheit nach rechts außen. Zweitens: Es gibt im Polizeidienst bei manchen Beamten eine negative Sozialisation. Das heißt, sie entwickeln im Laufe der Jahre rechte Einstellungen.“ Hier seien Vorgesetzte gefragt, die für eine demokratische Kultur sorgen. Die klar stellen, dass Wörter wie „Kanake“ oder ein rassistischer Witz nicht toleriert werden.
Die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic sagte dazu, es gebe Hinweise aus schon älteren Studien darauf, dass nicht die Einsteiger in den Polizeiberuf das Problem seien, sondern eher Beamte, die sich im Laufe ihres Dienstes radikalisierten.