Berlin.. Wie krank sind unsere Kinder? Deutschlands Kinderärzte zeichnen jetzt ein verheerendes Bild. Jedes fünfte Kind ist zu dick, jedes siebte ist zeitweise psychisch auffällig, Sprachentwicklungsstörungen nehmen zu. Die Schuld sehen die Mediziner bei den Eltern – dabei ist die oft beschriebene Vernachlässigung nicht das einzige Problem.

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist zu dick, jedes siebte ist zeitweise psychisch auffällig. Und auch Sprachentwicklungsstörungen nehmen beim Nachwuchs zu, im sechsten Lebensjahr trifft es rund ein Drittel der Kinder, Jungen häufiger als Mädchen.

Jetzt fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Konsequenzen: Die Vorsorgeuntersuchungen müssten ausgeweitet und stärker auf Prävention statt auf Früherkennung ausgerichtet werden, verlangte Verbandspräsident Wolfram Hartmann am Freitag in Berlin.

Bewegungsmangel, falsche Ernährung, zu hoher Medienkonsum

„Wir sehen mit großer Sorge die zunehmende Zahl von Kindern mit Entwicklungsdefiziten bei Sprache, Wahrnehmung, Sozialverhalten und Motorik“, sagte Hartmann. Viele scheiterten mit diesen Handicaps bereits in der Schule. Große Sorge bereite aber auch die wachsende Zahl von übergewichtigen Kindern mit Stoffwechselentgleisungen, die früh unter Herz- und Gefäßerkrankungen oder Diabetes litten. Die wichtigsten Ursachen der Fehlentwicklungen: Bewegungsmangel, falsche Ernährung, zu hoher Medienkonsum und ein schwieriges soziales Umfeld in der Familie.

Viele Probleme seien lösbar, wenn die Kinder häufiger in Vorsorgeuntersuchungen kämen. Doch für Kinder im Schulalter gebe es darauf keinen gesetzlichen Anspruch, kritisierte der Ärzteverband. Er forderte eine Gesetzesänderung, die drei zusätzliche Untersuchungen für Kinder von 7 bis 17 Jahren festschreibt. „Gute Vorsorge kann immense Folgekosten sparen“, meinte Hartmann. Sinnvoll seien zudem Änderungen etwa beim Schulsport oder die bessere Ausstattung von Spielplätzen, damit auch weniger sportbegeisterte Kinder Freude an der Bewegung behielten.

Manche Eltern übertreiben es mit der Förderung

Zugleich wünschen sich die Ärzte mehr Zeit für die Beratung auch der Eltern. Allerdings würden sie in den Praxen zunehmend mit einem neuen Phänomen konfrontiert: Nur ein Teil der Probleme entstehe durch Unterforderung der Kinder meist in bildungsfernen Familien – immer häufiger beobachteten die Ärzte auch Überforderung durch „Helikopter-Eltern“, die mit übertriebenem Ehrgeiz die Kinder überwachten und sie „von einem Förderkurs in den anderen“ schickten. „Diese Eltern kommen dann völlig verunsichert in die Praxis und klagen, ihr Kind sei krank, wenn es nicht so funktioniert wie gedacht“, berichtete der Verbandspräsident.

Hartmann riet den Eltern zu einem „gesunden Mittelweg“. Dazu gehöre auch, nicht gleich nach aufwändigen Therapien für das Kind etwa beim Logopäden zu rufen, wenn es sich tatsächlich eher um ein pädagogisches Problem handele. Die Kinder- und Jugendärzte fordern auch die Berufung von Kinderbeauftragten im Bundestag sowie den Landes- und Kommunalparlamenten in Anlehnung an das Amt des Wehrbeauftragten des Bundestags. Ihre Aufgabe müsse es sein, bei staatlichem Handeln den Vorrang des Kindeswohls fördern. Zwar gebe es im Bundestag eine Kinderkommission, doch die habe sich als „zahnloser Tiger“ erwiesen.

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