Essen. Nur wenige Schauspieler verließen den NS-Staat, viele Lieblinge blieben: Marika Rökk, Brigitte Horney, Willy Fritsch, Carl Raddatz und viele andere spielten bis zur Kapitulation in Deutschland. Fast alle wurden nach dem Krieg rasch entnazifiziert.
Blieben sie, weil Deutschland ihre Bühne war? Galt es der Kunst, dem Publikum, dem Führer? Die Debatte um den Heinrich-George-Film stellt alte Fragen. Ein Solo war Georges Rolle „Vorzeige-Schauspieler im NS-Staat“ nicht. Er war einer von vielen, mit denen die Diktatur sich schmückte.
Als man sie viel zu spät danach fragte, nannten sich die meisten unpolitisch – und beschrieben die Alternative: Exil, Schauspieler sein in einem Land, dessen Sprache man nicht beherrscht. Sie mögen Helden auf der Bühne gewesen sein, ihr Alltag aber war Anpassung und Überlebenskampf.
„Er war wahrscheinlich an Kunst interessiert“, erinnerte sich die große Schauspielerin Marianne Hoppe (1909-2002) an Hitler – und setzt nach: „Nur war es nicht unsere Kunst.“
Das scherte die Nazis wenig. Missliebige Schauspieler erhielten Berufsverbot, erste Mimen des Reiches zierten zuverlässig ihre Empfänge. Auch Hoppe. Sie saß mit Leni Riefenstahl in der Reichskanzlei an Hitlers Tisch. Sie wusste, was die Absage eines Abendessens bedeutet hätte. Es ging ja auch drastischer: Propagandaminister Goebbels pflegte Jungschauspielerinnen unangemeldet zu besuchen, zu bezirzen, zu bedrohen, zu beschlafen.
Durchhaltefilme, Truppenbetreuung
Was passiert wäre, wenn sämtliche Schauspieler und Sänger Nazi-Deutschland den Rücken gekehrt hätten, regt bis heute die Fantasie von Kulturhistorikern an. Wäre ein Staat ohne Durchhaltefilme und Schlager also nicht zum Schrecken der Weltpolitik geworden? Kaum.
Ilse Werner (1921-2005) hat stets abgelehnt, in Interviews nach der NS-Zeit gefragt zu werden. Das aber war der Zeitraum, da Werner sich in Millionen Herzen schmetterte und pfiff. War es eine kulturelle Spielart von Mittäterschaft, mitten im Krieg beim legendären „Wunschkonzert“ für Soldaten zu trällern („Sing ein Lied, wenn Du mal traurig bist") oder bei der Truppenbetreuung aufgetreten zu sein?
Rühmann, der öffentliche Hofnarr
Heinz Rühmann, der der Filmindustrie der Nazi-Zeit enorme Erfolge verdankt („Quax, der Bruchpilot“ „Die Feuerzangenbowle“), war sich des Widerspruchs bewusst. Freunde im Ausland bat er fast flehend um Verständnis, dass er öffentlich als Hofnarr agierte, während deutsche Truppen in ihre Heimatländer einmarschierten.
Rühmanns Bleiben wurde belohnt: kein Wehrdienst, kein Berufsverbot trotz Ehe mit einer „Vierteljüdin“. Ein Treppenwitz der Geschichte: Rühmann, Parade- Komiker der Nazis, war auch Lieblingsschauspieler von Anne Frank.
Wer blieb, spielte mit
Wer blieb, spielte mit. In wessen Auftrag, daran blieb wenig Zweifel: Die Filmgesellschaften waren gleichgeschaltet, Bühnen Kontrollbesuche von NS-Schergen sicher. Gegen Sätze wie „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit“ konnten die freilich wenig tun. Szenenapplaus für diesen Protest aus der Feder Friedrich Schillers gab es regelmäßig – auch in Berlin, wo Gustaf Gründgens als „Generalintendant des Preußischen Staatstheaters“ herrschte. „Er hat noch das Schlimmste verhindert“, sagen seine Verehrer. „Er hat sich an Barbaren verkauft“, richten die Gegner.
Marika Rökk, Brigitte Horney, Willy Fritsch, Carl Raddatz und viele andere spielten bis zur Kapitulation. Fast alle wurden nach dem Krieg rasch entnazifiziert. Für den Erfolg im Nachkriegsdeutschland spielte, wie so vieles, die Vergangenheit: kaum eine Rolle.