Düsseldorf. In NRW entstehen etwa 15.000 Stellen für Menschen, die seit Jahren ohne Beschäftigung sind. Handwerker befürchten Konkurrenz.

In NRW sollen in diesem Jahr rund 15.000 Jobs für Langzeitarbeitslose entstehen, 6000 davon allein in den Städten des Ruhrgebiets, im Kreis Olpe gerade einmal 40. Im Gegensatz zu früheren Arbeitsbeschaffungs-Angeboten geht es hier um „richtige“, also ordentlich bezahlte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Das Land, die Städte, Gewerkschaften, Arbeitgeber, die Arbeitsagentur und andere Akteure einigten sich am Dienstag darauf, an Rhein und Ruhr das Bestmögliche aus dem neuen Teilhabechancengesetz des Bundes zu machen und die Tür zu einem sozialen Arbeitsmarkt aufzustoßen. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von einem „Meilenstein“ in der Arbeitsmarktpolitik: „Diese Arbeitsplätze stabilisieren Familien und Partnerschaften, und es ist gut für die Kinder, wenn ihre Eltern morgens aufstehen und zur Arbeit gehen.“

Sein Hinweis auf die Familien kommt nicht von ungefähr. Denn die Jobcenter müssen entscheiden, wer von den über 150.000 Menschen in NRW, die in den letzten sieben Jahren mindestens sechs Jahre lang Hartz IV bezogen haben und daher von dem Programm profitieren könnten, eine Chance bekommt. Alleinerziehende und Familien mit schulpflichtigen Kindern sind dabei im Vorteil.

„Wir haben schon rund 28.000 Menschen in NRW identifiziert, die für diese Arbeitsplätze geeignet sein könnten“, sagte Christiane Schönefeld, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit in NRW. Die große Hoffnung, die das Projekt sozialer Arbeitsmarkt begleitet, ist, dass diese Jobs wirklich eine „Brücke“ in reguläre Beschäftigung sein können. Diese Hoffnung begleitet zwar seit Jahrzehnten jede Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, in diesem Fall gibt es aber einen wichtigen Unterschied: Die neuen Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose werden keine „Nischen-Beschäftigungen“ sein, die neben der regulären Arbeit existieren, sondern normale und konkurrenzfähige und bestenfalls auch nach Tarif bezahlte Jobs.

An diesem Punkt reiben sich die Arbeitgeber. „Wir sehen die öffentlich geförderte Beschäftigung grundsätzlich kritisch. Sie kann nur das letzte Mittel sein“, sagte Andreas Ehlert, Präsident des Handwerks in NRW. Zum Beispiel fürchteten Gartenbau- und Malerbetriebe, deren Beschäftigte nicht gefördert werden, Wettbewerbsnachteile. „Wir bewegen uns in einem Markt, der nicht mehr ganz fair ist“, warnte Ehlert. Handwerker und Unternehmerverbände unterstützen dennoch das Teilhabechancengesetz: „Wir wollen das Beste daraus machen“, so Ehlert.

Die Gewerkschaften sprechen von einem gelungenen Start in einen sozialen Arbeitsmarkt. Sie erwarten nun aber, dass sich die Arbeitgeber auch auf die Langzeitarbeitslosen einlassen und ihnen angesichts des Fachkräftemangels eine Chance geben. „Es müssen Menschen in Arbeit gebracht werden, die keine olympiareifen Leistungen zeigen“, sagte die NRW-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Anja Weber. Thomas Hunsteger-Petermann (CDU), Chef des Städtetags NRW, stellte sich voll hinter das Projekt: „Bevor wir Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, sollten wir uns fragen, wie wir Langzeitarbeitslose in reguläre Beschäftigung bringen“, sagte der Oberbürgermeister von Hamm.

Sanfter Druck auf Firmen

Viele der neuen Jobs für Langzeitarbeitslose dürften von den Kommunen selbst angeboten werden. Um auch Privatbetriebe mit ins Boot zu holen, empfiehlt Laumann, sanften Druck auf die Firmen auszuüben. Die Städte könnten etwa Aufträge an Betriebe vergeben, die Langzeitarbeitslose einstellen. „Ich habe die Hoffnung, dass die Kommunen über ihre Vergabepolitik hier Akzente setzen“, erklärte der Minister, der die Idee für einen sozialen Arbeitsmarkt gegen die vielen Skeptiker in der eigenen Partei stets verteidigt hat.

Der Bund stellt NRW für das Projekt bis 2022 eine Milliarde Euro zur Verfügung. Gefördert werden die Jobs bis zu fünf Jahre. Zu Beginn übernimmt der Staat bis zu 100 Prozent der Lohnkosten.

Kutschaty: SPD muss Hatz IV abschaffen

An dem Tag, als in Düsseldorf die Pflöcke für einen sozialen Arbeitsmarkt eingeschlagen wurden, warb SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty in Berlin erneut für eine große Sozialstaatsreform. „Wer trotz Weiterbildung und eines längeren Bezugs von Arbeitslosengeld keinen neuen Job findet, sollte garantiert ein Angebot auf dem sozialen Arbeitsmarkt erhalten“, sagte er als Gast der Hans-Böckler-Stiftung.

Für solche Jobs gebe es Bedarf. Hartz IV hat aus Kutschatys Sicht keine Zukunft. „Die Partei, die das Hartz-IV-System einst einführte, wird auch diejenige sein müssen, die es wieder abschafft.“