Düsseldorf. Die Pflege eines Angehörigen ist eine zehrende und herausfordernde Aufgabe. NRW will Angehörigen den Weg zu Kuren ebnen.

In Corona-Zeiten geht Sabine Lohmann für ihre Arbeit auch in fremde Gärten. Dort setzt sich die 59-jährige Sozial- und Gesundheitsberaterin dann zu Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen und sich oft nicht einmal für ein Gespräch loseisen können.

„Ich erlebe immer wieder, dass Pflegende so sehr in ihren Pflegealltag eingebunden sind, dass sie sich selbst und ihre eigenen Belastungen eher weniger im Blick haben“, sagt die Paderbornerin. Vielen pflegenden Angehörigen sei nicht bewusst, dass es auch für sie Hilfsangebote gebe, dass sie Anspruch auf Kuren und Reha-Maßnahmen haben. Lohmann gehört zu einem neuen Netz geschulter Kurberater im ganzen Land, das diesen Umstand ändern soll.

NRW fördert das Beratungsnetz mit zwei Millionen Euro

Möglich macht das ein Programm des NRW-Gesundheitsministeriums. Seit Mitte 2019 fördert das Land mit rund zwei Millionen Euro den Auf- und Ausbau eines inzwischen flächendeckenden Beratungsangebots für pflegende Angehörige. Bisher sind dafür rund 100 Kurberater der Freien Wohlfahrt landesweit geschult worden. Sie helfen bei Kur-Anträgen, klären, ob Pflegebedürftige mitreisen oder wie sie zu Hause in Abwesenheit ihrer Angehörigen betreut werden können, und sind auch nach einer Reha noch Ansprechpartner. Für die Betroffenen ist diese Beratung kostenfrei. Das auf drei Jahre angelegte Landesprogramm soll verstetigt werden.

Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Gesundheitsminister.
Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Gesundheitsminister. © dpa | Rolf Vennenbernd


Viele Menschen, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), würden ihre Angehörigen über Jahre und Jahrzehnte pflegen und seien nicht zuletzt in der Corona-Krise besonders belastet. Ihnen gerade jetzt eine Auszeit zu erleichtern, das ist ihm ein persönliches Anliegen: Auch in der Pandemie müsse es Kuren und Reha-Aufenthalte geben, so der Minister, denn die Spätschäden für die pflegenden Angehörigen könnten gravierend sein. Laumann unterstrich: Jeder, der in eine Kur gehe, werde zuvor auf das Coronavirus getestet.

In acht Monaten nur rund 100 bewilligte Kuren an den Beratungsstellen

Esther van Bebber, Direktorin der Caritas für das Erzbistum Paderborn, nannte das flächendeckende Angebot ein Vorzeigeprojekt, das bundesweit einmalig sei. „NRW ist hier Vorreiter und ich hoffe sehr, dass es Nachahmer geben wird“, so die Diözesan-Caritasdirektorin.

Denn bereits seit acht Jahren können pflegende Angehörige eine dreiwöchige Kur- oder Reha-Maßnahme in Anspruch nehmen. Die Zahlen zeigen aber, dass das bisher kaum ausgeschöpft wird: In NRW werden etwa 420 000 Menschen ausschließlich durch ihre Angehörigen gepflegt. Nach Angaben der Beratungsstellen sind von Januar bis August rund 400 Angehörige beraten und gerade einmal 211 Anträge auf Kuren gestellt worden – davon hätten die Krankenkassen nur rund 100 bewilligt. Auch beim Widerspruch helfen die Beraterinnen.

Bedarf nach mehr spezialisierten Kliniken in NRW

Andreas Frank, Geschäftsführer der Kur und Erholungs GmbH der Arbeiterwohlfahrt, sieht auch Nachholbedarf beim Ausbau von Kur-Angebote. Zwar haben sich Reha-Kliniken in NRW auf pflegende Angehörige spezialisiert. Ausreichend sei das aber nicht, sagte Frank. „Wir sprechen von 23 spezialisierten Kliniken, der Bedarf ist aber sehr viel höher“, so Frank. Hilfe bräuchten auch junge Menschen, die ihre Eltern pflegten, oder Eltern, die ihr behindertes Kind pflegten.

Kurberaterin Sabine Lohmann hat die Erfahrung gemacht, dass pflegende Angehörige nach einer Kur regelrecht aufatmeten. „Ich habe eine 39 Jahre alte Frau beraten, die mit ihrem pflegebedürftigen Mann und auch noch dem Hund in eine Kur-Klinik gefahren ist“, erzählt Lohmann. Nach dem Aufenthalt habe sie Lohmann aufgetragen, sogar dem Minister ausdrücklich zu danken.

>>> Zu den Beratungsstellen

Eine Übersicht über die Beratungsstellen ist online unter www.kuren-fuer-pflegende-angehoerige.de sowie unter der Rufnummer 05251-209230 zu finden.