Berlin. Die Krankenversicherungen haben errechnet, dass die niedergelassenen Mediziner in den vergangenen fünf Jahren ihre Einkünfte um ein Drittel steigern konnten - das sei unangemessen hoch. Nun soll gekürzt werde. Ärztefunktionäre wollen dagegen weitere Anhebungen der Honorare.

Ärzte und Krankenkassen streiten erbittert über die Höhe der Medizinerhonorare im nächsten Jahr. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wies am Donnerstag Forderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nach einer um 3,5 Milliarden Euro höheren Vergütung als überzogen zurück. Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg forderte gar eine Absenkung des sogenannten Orientierungswerts, der entscheidend für die Höhe der Bezahlung ist. Das würde de facto eine Kürzung der ärztlichen Honorare um 2,2 Milliarden Euro jährlich nach sich ziehen - im Durchschnitt rund 19.000 Euro pro Praxis. Ende August stehen die entscheidenden Verhandlungen an.

Arzthonorare sehr viel stärker gestiegen als Ausgaben

Stackelberg bezog sich auf ein Gutachten des Prognos-Institut im Auftrag seines Verbandes. Demnach seien die Einnahmen der Ärzte seit 2008 deutlich stärker gestiegen als die Kosten der Praxen. So verzeichneten die Mediziner der Studie zufolge Mehreinnahmen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro, denen Ausgaben für zusätzliche Leistungen sowie insgesamt höhere Kosten gegenüberstehen. Die Wissenschaftler rechneten zudem höhere Auslastungen und den organisatorischen Fortschritt ein. Unter dem Strich stehe aber immer noch eine "Überzahlung" der Ärzte in Höhe von fast 2,2 Milliarden Euro, betonte die GKV.

"Die Vergütung der Vertragsärzte muss sich künftig wieder ihrem Aufwand anpassen", forderte Stackelberg. Sinkende Kosten je Leistung, eine bessere Auslastung der Praxen und andere Wirtschaftlichkeitsreserven gehörten genauso auf den Verhandlungstisch wie Preise und Mengen. Im Bewertungsausschuss werde sein Verband den Antrag stellen, den Orientierungswert abzusenken. Da in dem Gremium keine Einigung erwartet wird, soll am 30. August eine erweiterte Runde eine Lösung suchen, der auch drei neutrale Experten angehören.

Dem Prognos-Gutachten zufolge hat sich der durchschnittliche Überschuss je Arzt allein aus der Versorgung von gesetzlich Versicherten von 105.000 Euro im Jahr 2007 um 29 Prozent auf 134.000 Euro im Jahr 2011 erhöht. Nehme man die Einnahmen durch privat Versicherte hinzu, liege der Reinertrag je Arzt sogar bei 165.000 Euro.

Ärzte reagieren erbost

Die Ärzte-Fuktionäre reagierten natürlich erbost: KBV-Chef Andreas Köhler nannte es unverständlich und verantwortungslos, dass die Kassen deutlich weniger Geld für die ambulante Versorgung ihrer Versicherten zur Verfügung stellen wollten. Die geforderte höhere Vergütung um 3,5 Milliarden Euro sei notwendig, allein um die gestiegenen Betriebskosten und die Inflation seit 2008 auszugleichen.

Dem GKV-Verband zufolge würde sich der Ertrag je Praxis jedoch um 20.000 Euro im Jahr steigern. Laut Prognos-Projektleiter Ronny Wölbing würde eine Absenkung des Orientierungswertes von 3,5 auf 3,25 Cent dafür sorgen, dass der Überschuss je Mediziner immer noch rund zehn Prozent über dem Jahr 2007 liegen würde.