Berlin.. Wegen einer Klausel im geplanten Versorgungsgesetz befürchten die Krankenkassen, dass die Ärztehonorare 2013 steigen könnten - die zusätzlichen Milliardenkosten müssten letztlich die Versicherten zahlen. Das Gesundheitsministerium widerspricht.

Die Krankenkassen befürchten einen erneuten Anstieg der Ärztehonorare um 2,7 Milliarden Euro im Wahljahr 2013. Grund sei eine spezielle Klausel in dem von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) geplanten Versorgungsgesetz, erklärte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung am Dienstag in Wandlitz bei Berlin. Bezahlen müssten die Mehrkosten letztlich die Versicherten. Die Kassen fordern Korrekturen.

Es geht um das Gesetz, mit dem Bahr unter anderem den Landarztmangel bekämpfen will. Darin finden sich auch neue Regeln, nach denen Ärzte und Krankenkassen die jährlichen Honorarsteigerungen aushandeln sollen. Sie erlaubten es den niedergelassenen Ärzten erstmals ab 2013, sehr viel mehr Leistungen zu erbringen und abzurechnen als bisher, sagte Vizeverbandschef Johann-Magnus von Stackelberg.

Die Gesamtvergütung könnte damit um rund zehn Prozent steigen, also um etwa 2,4 Milliarden Euro. Weitere Effekte würden die Honorarsumme um noch einmal 300 bis 400 Millionen Euro steigern, sagte der Kassenmanager. Stackelberg sprach von einer "Gefahr" und verlangte von Bahr Änderungen an seinem Entwurf. Die Honorarsumme für niedergelassene Mediziner ist von 2007 bis 2011 nach Berechnungen der Krankenkassen bereits um rund 5,1 Milliarden auf etwa 33 Milliarden Euro angewachsen.

Ministerium bestreitet Milliardenbelastungen für Krankenkassen

Das Gesundheitsministerium erklärte, die Beitragszahler müssten sich keine Sorgen machen. Durch das Versorgungsgesetz kämen auf die Krankenkassen keine Milliardenbelastungen zu. Solche Behauptungen der Kassen seien falsch. Richtig sei, dass die medizinische Versorgung der Menschen durch das gezielte Gegensteuern gegen den regional auftretenden Ärztemangel gesichert werden solle. Die Vergütungen würden künftig nicht mehr auf Bundesebene verhandelt, sondern in der Region. Dabei sei selbstverständlich, dass es bei einer Begrenzung der Gesamtvergütung bleibe.

Innovationen nur noch in Zentren

Die Chefin des Krankenkassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, verlangte auch Änderungen an Bahrs Plänen zur Bekämpfung des Ärztemangels. So sollten nicht nur Ärzte in unterversorgten Gebieten besser bezahlt werden, wie es der FDP-Politiker vorschlägt. Gleichzeitig müssten Mediziner in überversorgten Gebieten - zum Beispiel Großstädten - Einbußen aufgebürdet werden, meinte Pfeiffer. Anders ließen sich nicht genug Ärzte von der Stadt aufs Land locken.

Darüber hinaus wollen die Krankenkassen den Zugang zu neuen Behandlungsmethoden für Patienten einschränken. Sie sollen nur in spezialisierten "Innovationszentren" verabreicht werden, bis ihr Nutzen nachgewiesen ist. Erst dann sollen solche neuen Methoden allen Patienten überall zur Verfügung stehen, wie Pfeiffer sagte. Auch bestimmte teure und hochwirksame Medikamente sollen gezielter nur an jene Patienten gehen, denen sie wirklich nützen.

Gesundheitsfonds schwimmt im Geld

Bei den Finanzen der Krankenversicherung ergibt sich derzeit nach Darstellung des Verbands eine kuriose Situation: Obwohl einige Kassen in Finanznot sind, schwimmt der Gesundheitsfonds im Geld. Zum Jahresende erwartet der Kassenverband einen Überschuss im Fonds von mehr als zwei Milliarden Euro - zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen von rund fünf Milliarden Euro.

Aus dem Fonds erhalten alle Kassen nur bestimmte, ein Jahr im Voraus festgelegte Fixbeträge - unabhängig davon, wie viel der Fonds letztlich einnimmt. Überschüsse könnten dazu genutzt werden, nächstes Jahr mehr Geld an die Kassen auszuschütten. Das würde Zusatzbeiträge hinauszögern. Alternativ könnte der Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent des Bruttolohns etwas gesenkt werden. Der Satz war erst zum Jahresbeginn um 0,6 Punkte erhöht worden, was rechnerisch Mehreinnahmen von sechs Milliarden Euro bedeutet.

Rasche Pflegereform gefordert

Beim Thema Pflege forderte der Kassenverband einen raschen Beginn der angekündigten Reform. Denn der geplante Umbau der Leistungen werde mehrere Jahre in Anspruch nehmen, sagte Vorstand Gernot Kiefer. Die Zeit der noch vom ehemaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) anberaumten Pflegedialoge müsse nun vorbei sein. "Jetzt kommt die Conclusio, die man ziehen muss", sagte Kiefer.

Allerdings ist nach wie vor offen, wie die Leistungen der Versicherung mit einem neuen "Pflegebedürftigkeitsbegriff" modernisiert werden sollen und wie viel das kosten wird. Kiefer sagte, Schätzungen wären derzeit unseriös, weil die künftigen Leistungen unklar seien. Klar sei aber, dass zusätzliche Leistungen und die Alterung der Bevölkerung mehr kosten werden. (dapd)