Washington. Bin Laden war offenbar bis zu zuletzt im Terrornetzwerk El-Kaida aktiv. Das belegen Videos, die die USA in seiner Villa gefunden und jetzt veröffentlicht haben. Er habe aus seinem Versteck bis zu seinem Tod Anweisungen erteilt, sagte ein Geheimdienstvertreter.

Die USA haben am Samstag mehrere bislang unbekannte Videos von Osama bin Laden veröffentlicht. Die Privataufnahmen wurden bei der Kommandoaktion der US-Eliteeinheit Team Six der Navy SEALs beschlagnahmt, bei der der El-Kaida-Chef am Montag getötet worden war. Die Videos dienten als weiterer Beweis, dass es den USA gelungen ist, den meistgesuchten Terroristen der Welt zu eliminieren. Sie ermöglichen es der US-Regierung aber auch, bin Laden als eitlen Mann und Künstler der Selbstdarstellung zu zeigen.

Der El-Kaida-Chef sei bis zu seinem Tod „aktiv“ gewesen und habe seinem Terrornetzwerk aus seinem Versteck in Abbottabad „strategische, operationelle und taktische Anweisungen erteilt, sagte ein US-Geheimdienstvertreter.

Propaganda-Botschaft an das amerikanische Volk

Auf einem der fünf Filme, die am Samstag bei einer Pressekonferenz in Washington vom US-Geheimdienst freigegeben wurden, ist bin Laden zu sehen, wie er auf dem Fußboden sitzend sich selbst im Fernsehen betrachtet. Der El-Kaida-Chef ist in eine dunkle Decke gehüllt und wiegt sich vor und zurück, während er von einem Kanal in den anderen schaltet. Sein Bart ist grau und ungekämmt.

Auf einem anderen Video hat er sich für die Aufnahme einer Propaganda-Botschaft offenbar den Bart gefärbt und ihn säuberlich gestutzt. Das Video, das die USA ohne Ton veröffentlicht hat, trägt den Titel „Botschaft an das amerikanische Volk“ und wurde vermutlich im vergangenen Herbst aufgenommen, wie ein Geheimdienstmitarbeiter bei der Pressekonferenz sagte.

Videos nur ein Bruchteil des sichergestellten Materials

Die Videos wurden auf bin Ladens Grundstück in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad beschlagnahmt, wo der El-Kaida-Chef die letzten sechs Jahre seines Lebens verbrachte. Den US-Behörden zufolge sind die Videobänder nur ein Bruchteil des Materials, das bei der Operation sichergestellt wurde. Noch nie zuvor sei es gelungen, so viel Material eines Top-Terroristen zu beschlagnahmen. Auch Telefonnummern und andere Dokumente wurden sichergestellt, mittels derer sich die US-Behörden erhoffen, das Terrornetzwerk zur Strecke zu bringen, das hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 steckt.

Der US-Geheimdienst wusste, dass bin Laden und El-Kaida die Nachrichten verfolgen. Doch jahrelang vermutete man bin Laden in einem abgelegenen Gebiet in den pakistanischen Bergen und dachte, er habe keinen Zugang zu aktuellen Nachrichten.

Doch nachdem der CIA bin Ladens Versteck entdeckt hatte, fiel ihm eine Satellitenschüssel auf. Das Video zeigt auch, dass bin Laden einen Computer im Hause hatte. Den Behördenangaben zufolge verfügte er aber nicht über einen Internet- oder Telefonanschluss. (dapd)