Washington. Vehement wirbt US-Präsident Barack Obama derzeit bei der Bevölkerung und im Kongress für einen Militärschlag gegen Syrien. Doch sowohl Wähler und als auch Abgeordnete sind gespalten. Zustimmung oder Ablehnung werden starke Auswirkungen für Obamas weitere Präsidentschaft haben.

Aussprechen will es niemand in der US-Regierung, doch jedem ist klar: Der Ausgang der Abstimmung im Kongress über einen Militärschlag gegen Syrien entscheidet auch darüber, wie Barack Obama die verbliebenen dreieinhalb Jahre seiner Präsidentschaft gestalten kann.

Stimmen die Abgeordneten und Senatoren für einen Angriff, zieht er mit breiter Brust in bevorstehende Schlagabtausche mit den Republikanern, wie den Haushaltsstreit, die Ernennung eines Nachfolgers von Notenbank-Chef Ben Bernanke oder eine Reform der Einwanderungs- und Steuergesetze. Erleidet Obama jedoch eine Niederlage - und das ist im Moment durchaus wahrscheinlich - steht er innen- wie außenpolitisch als schwacher Anführer da.

Ein "Nein" wäre eine Katastrophe für Obama, sagt David Rothkopf, der unter Bill Clinton Regierungsberater war. Er würde fortan als "lahme Ente" wahrgenommen, also als Präsident der faktisch handlungsunfähig ist. "Er würde geschwächt wirken und es wäre unwahrscheinlich, dass er in seiner restlichen Amtszeit noch viel zustande bringt." Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler George Edwards von der Texas A&M University: "Ich denke, ein 'Nein' wäre eine gewaltige Ohrfeige für den Präsidenten. Das würde ihm die Hände fesseln."

Politisches Kapital steht auf dem Spiel

Obama muss als Oberbefehlshaber für einen zeitlich begrenzten Angriff, wie er ihn als Reaktion auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen syrischer Truppen gegen die eigene Bevölkerung anstrebt, zwar nicht zwingend die Erlaubnis des Kongresses einholen. Doch er will sich die Rückendeckung des Parlaments nicht zuletzt deshalb sichern, da ein Schlag gegen Syrien in der nach den Einsätzen im Irak und in Afghanistan kriegsmüden amerikanischen Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung stößt.

Obama darf nach zwei Amtszeiten zwar nicht erneut kandidieren. Dennoch steht für ihn nichts Geringeres als sein politisches Kapital auf dem Spiel. Mit jedem Abstimmungssieg steigt dieses. Mit jeder Niederlage büßt er dagegen an politischer Schlagkraft ein. Das aber kann er sich kaum erlauben angesichts der hitzigen Debatten, die ihm abgesehen von Syrien allein in den kommenden Wochen bevorstehen.

Republikaner fordern massive Einsparungen

Im Oktober etwa muss die Schuldenobergrenze der USA wieder einmal erhöht werden, um eine Zahlungsunfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft zu vermeiden. Die Republikaner fordern dafür massive Einsparungen, was Obamas Demokraten möglichst vermeiden wollen. Ein weiterer potenzieller Streit könnte entstehen, sollte Obama Larry Summers als Bernanke-Nachfolger nominieren.

Summers gilt als derzeitiger Favorit des Präsidenten für die Spitze der Notenbank, bessere Chancen aber werden der derzeitigen Bernanke-Stellvertreterin Janet Yellen eingeräumt. Bernankes Amtszeit endet am 31. Januar 2014. Die Regierung will spätestens im Herbst die Personalie in trockenen Tüchern haben. Kaum jemand zweifelt, dass die Republikaner eine Niederlage Obamas beim Thema Syrien zu ihrem Gunsten ausschlachten würden.

Wählern bereitet Verwicklung in Syrien Sorgen

Auch außenpolitisch dürfte ein "Nein" zum Syrien-Einsatz Konsequenzen nach sich ziehen. Außenminister John Kerry warnte bereits, dass Erzfeinde wie Nordkorea und der Iran sich ermutigt fühlen dürften, ihre umstrittenen Atomprogramme voranzutreiben.

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Besonders schwer wiegen würde ein Korb im Kongress, wenn viele Demokraten Obama die Gefolgschaft verweigern würden. Das aber wird nicht ausgeschlossen. Viele zeigten sich noch am Wochenende bei ihrer Rückkehr aus der Sommerpause kurz vor Beginn der Syrien-Debatte im Kongress zumindest gespalten. Der kalifornische Abgeordnete George Miller etwa sagt, dass er natürlich abwäge, welche Folgen das Votum für Obama und dessen Regierung haben könnte. Aber er habe sich eben auch bei seinen Wählern umgehört. Und denen bereite eine mögliche Verwicklung in Syrien "sehr, sehr große Sorgen". (Reuters)