Essen. 15 Millionen Euro hat der Bund für eine Software ausgegeben, die nie funktioniert hat. Jetzt will Bildungsministerin Annette Schavan das Programm für die Hochschulzulassung von einem privaten Anbieter entwickeln lassen. Das Chaos hat schon mindestens einen Verantwortlichen den Job gekostet.

Um das Chaos bei der Hochschulzulassung zu beenden, will Billdungsministerin Annette Schavan auf Hilfe aus der Privatwirtschaft zurückgreifen. Die Ministerin prüft, ob die Software, die die Bewerbungen von Studenten um Studienplätze koordinieren soll, von privaten Wettbewerbern entwickelt werden kann. Das sagte Schavan im Bildungsausschuss des Bundestags.

Noch setzen Bund und Länder auf eine eigene Software-Lösung, die von der Telekom-Tochter T-Systems und der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), einer von Bund und Ländern gemeinschaftlich betriebenen Gesellschaft, entwickelt worden ist. 15 Millionen Euro hat der Bund bislang in das Projekt investiert, ohne dass die Software die hohen Anforderungen jemals erfüllt hätte.

Das Programm sollte es Studien-Interessierten ermöglichen, sich auf einer Website, an mehreren Universitäten gleichzeitig zu bewerben. So sollte nicht nur der Bewerbungsaufwand für angehende Studenten verringert werden, sondern auch das für Studenten und Universitäten gleichermaßen lästige Nachrückverfahren abgeschafft werden. Denn bei einer zentralen Bewerbung erfahren die Hochschulen direkt, wenn sich ein Student für eine Uni entschieden hat. Andere Hochschulen können den freigebliebenen Studienplatz anderweitig vergeben.

Schavan sieht die Schuld beim eigenen Unternehmen

Doch die Software scheiterte daran, dass sie nicht mit den Systemen aller Hochschulen zusammenarbeitete. Eine Fehlplanung, für die HIS nach eigenen Angaben nicht verantwortlich ist: "Die ursprüngliche Konzeption sah vor, dass die neue Software sich auf die an den Hochschulen vorhandene IT einstellen sollte", sagt HIS-Sprecher Theo Hafner. Das sei aber so nicht geschehen. HIS habe versucht, einen "Konnektor" zu entwickeln, der eine Verbindung zwischen dem neuen zentralen Programm und der individualisierten Software-Infrastruktur herstellt, die in vielen Hochschulen eingesetzt wird. Dies sei in dem "sehr straffen Zeitplan" nur für einige Hochschulen gelungen.

Ursprünglich sollte die Software schon vergangenen Herbst in Betrieb genommen werden. Nach aktuellem Stand soll zum Start des Wintersemesters 2012/13 im Herbst ein Pilotversuch beginnen. An dem werden aber nur 40 statt der ursprünglich geplanten 300 Hochschulen teilnehmen. Auch die Auswahl der Studienfächer ist begrenzt: Nur wer Medizin, Tiermedizin, Zahnmedizin oder Pharmazie studieren will, kann seine Bewerbung zentral einreichen.

Studiengänge, die mehrere Fächer kombinieren, sieht die Software nicht vor

"Völlig zielfremd" sei das, heißt es dazu an der TU Dortmund. Das Vergabeverfahren könne nur wirksam sein, wenn sich fast alle Hochschulen daran beteiligten. Auch die Ruhruniversität in Bochum kann mit dem Pilotversuch wenig anfangen. Allein 30 Prozent der Bochumer Studenten studieren einen Zwei-Fach-Bachelor. Kombinationen mehrerer Fächer sieht die Software aber nicht vor. Deshalb sucht sich die Bochumer Universität ihre Studenten weiterhin von Hand aus.

Für Schavan ist die Schuldfrage klar: Schon Ende Dezember sagte sie, HIS spiele bei dem Projekt "keine gute Rolle". Nun haben sie und ihre Länderkollegen die Reißleine gezogen und HIS-Geschäftsführer Martin Leitner gefeuert. Das gab das Unternehmen diese Woche nach einer Sitzung der Gesellschafter bekannt. Bereits im Februar soll ein Nachfolger für Leitner gefunden werden.

Wissenschaftler-Verband fordert zügige Zulassung

Die Hochschulen bräuchten Dienstleister, "die ihre Bedürfnisse erfüllen", rechtfertigt Ministerin Schavan ihren Privatisierungsvorschlag. Ob das Chaos um die Hochschulzulassung so beendet werden kann, ist ungewiss. HIS-Sprecher Hafner wollte die Privatisierungspläne nicht kommentieren. "Da reden wir über ungelegte Eier." Auch an NRW-Universitäten gilt das Thema als heißes Eisen. Die TU Dortmund wollte sich am Telefon nicht dazu äußern, schriftlich teilte eine Sprecherin mit: Für die TU Dortmund sei es "eher unerheblich", ob die HIS GmbH in der Trägerschaft von Bund und Ländern bleibt oder privatisiert wird. Wichtig sei, dass das System schnell flächendeckend funktioniere.

An der Universität zu Köln gibt man sich noch zurückhaltender. Das Thema sei "derart politisch aufgeladen", sagt ein Sprecher, dass er sich nicht dazu äußern möchte. Er verweist an das Wissenschaftsministerium. Doch auch dort hat man sich noch keine Meinung zur Idee der Bundesbildungsministerin gemacht. Die Privatisierung der IT-Sparte von HIS sei nur eine von mehreren Optionen. Ein externes Gutachten sei in Auftrag gegeben worden. Dessen Ergebnis wolle man abwarten, bevor man sich positioniert.

Zwar soll das Gutachten noch in diesem Jahr vorgelegt werden, aber selbst dann ist das Problem nicht gelöst. Denn um ein Unternehmen mit der Entwicklung zu beauftragen, müssten Bund und Länder den Auftrag europaweit ausschreiben. Dabei soll es doch eigentlich vor allem schnell gehen. "Studenten müssen reibungslos einen Studienplatz zugewiesen bekommen", fordert Matthias Jaroch, Sprecher des Deutschen Hochschulverbandes, der die Interessen von Wissenschaftlern und wissenschaftlichem Nachwuchs vertritt. Ob die Software nun vom Staat oder einem Privatunternehmen bereitgestellt wird, spiele keine Rolle.