Berlin.. Berlin feiert den 25. Jahrestag des Mauerfalls als Tag der Freude. Hunderttausende Menschen aus Deutschland und aller Welt sind zum Bürgerfest am Brandenburger Tor gekommen. Die Bundeskanzlerin will Krisenstaaten ermutigen, Michail Gorbatschow ist verärgert - und am Ende fliegt die Mauer.
Es war ein Tag der Freude, der nachdenklichen Erinnerung – und als am Ende Tausende leuchtende Ballons in den Abendhimmel aufstiegen, wurde es die Stunde der großen Gefühle. Hunderttausende Menschen feierten am Sonntag in Berlins den 25. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989. Bei den offiziellen Gedenkveranstaltungen würdigte Kanzlerin Angela Merkel den Mauerfall als Zeichen der Ermutigung auch für andere Völker. Doch es fielen auch kritische Worte, etwa von Michail Gorbatschow.
10 Uhr: Zentrale Gedenkveranstaltung: Am Tag des Mauerbaus sprangen in der Bernauer Straße verzweifelt Menschen aus den Fenstern ihrer Wohnungen – in den Westen, in die Freiheit. Heute stehen hier an einer Gedenkstätte Überreste der Mauer. Am Morgen stecken Kanzlerin Angela Merkel und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erst Rosen in einen Mauerspalt, dann findet in der kleinen Versöhnungskapelle eine Andacht statt. Später zünden Merkel und die anderen Teilnehmer Kerzen an zum Gedenken an die Mauertoten. Im Novembergrau leuchtet ein Lichtermeer, mindestens 138 Menschen sind an der Mauer ums Leben gekommen. Auch Karin Gueffroy steckt eine Kerze auf für ihren Sohn Chris, der noch im Februar 1989 an der Mauer erschossen wurde.
11 Uhr: Der Deutschlandfunk sendet ein Interview mit Wowereit: Er fordert den Komplett-Umzug der Bundesregierung nach Berlin. Der zweite Regierungssitz in Bonn sei ein abstruser Anachronismus.
11.20 Uhr: Gedenkstätte Bernauer Straße: Die Kanzlerin eröffnet eine Ausstellung über die Mauer. Zeitzeugen, Bürgerrechtler und Opfer des DDR-Unrechts warten auf sie. Es ist Merkels zentrale Rede, aber ihre wichtigste Botschaft richtet sie nicht an die Deutschen, sondern an die Welt: Der Mauerfall sei ein Signal an alle Völker: „Wir können die Dinge zum Guten wenden – das ist die Botschaft des Mauerfalls.“ Die richte sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien, im Irak und anderen Regionen der Welt, in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder gar mit Füßen getreten werden.“
Der Mauerfall habe gezeigt: „Träume können wahr werden, nichts muss so bleiben wie es ist.“ Gleich zu Beginn ihrer Rede erinnert Merkel an die Judenpogrome am 9. November 1938, spricht von einem „Tag der Scham und Schande“, der bis heute Verantwortung aufgebe. Der Tag des Mauerfalls sei dagegen ein Tag der Freude – aber auch des Gedenkens. Merkel beklagt, die DDR habe „Millionen Menschen an die Grenze des Erträglichen und allzu viele darüber hinaus gebracht“ – sie sei ein Unrechtsstaat gewesen und ein „ideologiebesessenes Regime“.
MauerfallGorbatschow fordert Verständnis im Westen für Putins Politik
13 Uhr: Pariser Platz: Der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow ruft auf einem Symposium in Sichtweite des Brandenburger Tors die EU und Russland zum Dialog auf. Tags zuvor hatte er hier im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise schwere Vorwürfe gegen den Westen erhoben und Verständnis gefordert für die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Westen und vor allem die USA hätten ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht eingehalten, sich stattdessen zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vertrauen untergraben
Die Ukraine-Krise sei Konsequenz aus einer kurzsichtigen Politik, die versuche, vollendete Tatsachen zu schaffen und die Interessen des Partners zu ignorieren. Gorbatschow, der am Montag von Merkel im Kanzleramt empfangen wird und auch bei ihr für Putin werben will, sagt aber auch: „Ich bin stolz darauf, dass ich ein bisschen etwas beigetragen habe dazu, dass wir heute so leben, wie wir leben.“
16 Uhr: Festakt des Landes Berlin mit Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnt in seiner Rede vor neuen Grenzen in Europa.
18 Uhr: Am Brandenburger Tor beginnt das Hauptprogramm des Bürgerfestes mit Auftritten unter anderem von Peter Gabriel, Udo Lindenberg, der Staatskapelle Berlin. Liedermacher Wolf Biermann und DDR-Bürgerrechtler erinnern an die Unterdrückung zu DDR-Zeiten und den Beitrag der Bürgerrechtsbewegung zum Mauerfall. Nicht alle sehen das so. Der „Spiegel“ berichtet, Altkanzler Helmut Kohl habe im Gespräch mit seinem Ghostwriter Heribert Schwan den Verdacht geäußert, die DDR-Bürgerbewegung sei zum Teil von der Stasi unterwandert gewesen – die habe möglicherweise auch einen Anlass zum Zuschlagen inszenieren wollen.
19.20 Uhr: Die Mauer fliegt! Die ersten der knapp 7000 leuchtenden Ballone, die seit Freitagabend den früheren Grenzverlauf im Berliner Zentrum markiert hatten, steigen am Brandenburger Tor in den Himmel. Zehntausende Menschen klatschen. Dann erklingt die "Ode an die Freude" aus Beethovens 9. Sinfonie.
Es ist etwa die Uhrzeit, als vor 25 Jahren Politbüromitglied Günter Schabowski die berühmten Sätze seiner Pressekonferenz sagte. "Unverzüglich" verschwindet die 15 Kilometer lange Lichtinstallation aber nicht. Nur langsam, Meter für Meter und nicht ohne Pannen löst sich die symbolische Mauer wieder auf - als sei es ein Symbol für den holprigen Wiedervereinigungsprozess, der dem Mauerfall folgte.