Essen. Pflegeheime in NRW müssen Bewohner und Personal selbst auf Corona testen. Weil Personal fehlt, rufen erste Einrichtungen nach Hilfe.
In der Corona-Krise rufen erste Pflegeheime im Ruhrgebiet nach Hilfe von Katastrophenschutz und Bundeswehr. Der Einsatz von Schnelltests, die ab Montag zum Standard in den Heimen werden sollen, stelle die Träger vor massive Personalprobleme, sagten die Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, in der sich Arbeitgeber von rund 20.000 Pflegekräften in der Region zusammengeschlossen haben.
„Nach acht Monaten Pandemie gehen wir auf dem Zahnfleisch“, sagte Ulrich Christofczik vom Duisburger Christophoruswerk dieser Redaktion. „Wir brauchen Unterstützung, von Rettungskräften, dem Technischen Hilfswerk oder von der Bundeswehr.“
Vielen Einrichtungen würden es zudem nicht gelingen, bis Montag alle notwendigen Tests besorgt, ihr Personal geschult und die Abläufe organisiert zu haben, ergänzte Silke Gerling vom Diakoniewerk Essen. „Das schaffen wir nicht, dafür war der Vorlauf zu kurz.“
20 Schnelltests je Bewohner und Monat können abgerechnet werden
Die neuen Schnelltests sollen helfen, die in der Pandemie besonders gefährdeten Pflegebedürftigen zu schützen, ohne sie zu isolieren. Der Bund hat seine Test-Strategie dazu Mitte Oktober veröffentlicht. Die Heimleitungen können bis zu 20 Schnelltests je Monat und Bewohner einsetzen, um Besucher, Pflegebedürftige und Personal auf eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus zu testen. Die Tests müssen die Träger aber selbst besorgen und nach einem vorher vom Gesundheitsamt genehmigten Konzept auch selbst durchführen. Am Montag endet für sie eine Puffer-Frist, auf die das Land NRW Ende Oktober aufmerksam gemacht hatte.
Die Heime bringt in akute Personalnot. Selbst bei effizienter Planung komme eine Einrichtung mit 80 Bewohnern auf rund 630 Arbeitsstunden für Screening, Abstrich, Dokumentation und Schutzkleidungswechsel im Falle positiver Ergebnisse, so Initiativensprecher Christofczik.
Je nach Einrichtung müssten bis zu vier Vollzeitstellen eingesetzt werden. „Das können selbst große Träger nur kurzfristig überbrücken“, sagte er. „Wir finden die Schnelltests an sich super, aber wir brauchen Unterstützung bei der Frage, wer sie durchführt.“
Die Arbeitgeberinitiative beklagt zudem, dass noch immer zu viele Fragen offen sein. Dürfen Bewohner zum Test gezwungen werden? Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat es, wenn Mitarbeiter sich verweigerten. Wer haftet?
Patientenschützer stärken Heimen den Rücken
Patientenschützer stärken den Fachkräften den Rücken. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte am Donnerstag, dass das Land NRW bisher zu der Frage schweige, wer die Mehrarbeit für die Testungen stemmen soll. Er zweifelte zudem an, ob 20 Tests je Bewohner überhaupt ausreicht. „Wie so die fast 170.000 Heimbewohner und die rund 260.000 Altenpflegekräfte einen Monat lang getestet und damit geschützt werden sollen, bleibt ein Rätsel“, sagt Brysch.
Unterstützung könnten Pflegeheime tatsächlich von den Einsatzkräften der Bundeswehr erhalten. Anträge auf Amtshilfe müssen aber über die Städte und Kreise gestellt werden, über die anfallende Kosten auch erstattet werden. Schon jetzt helfen entsprechend medizinisch ausgebildete Soldaten und Soldatinnen bei Corona-Abstrichen. Nach Angaben des NRW-Landeskommandos sind sie in neun Städten und Kreisen in mobilen Abstrichteams im Einsatz und werden unter anderem in Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Bundesweit waren am Donnerstag über 1060 Anträge auf Amtshilfe genehmigt.
Auch das Technische Hilfswerk war bereits im Corona-Einsatz für Pflegeheime – allerdings beim Materialtransport etwa von Schutzausstattung, wie ein Sprecher unterstrich. Corona-Tests durchzuführen werde das THW auch künftig den medizinischen Hilfsorganisationen überlassen.
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte zuletzt, die Alternative zu den Schnelltests sei das Nicht-Testen. Mit den bisher üblichen sogenannten PCR-Tests seien die Behörden an der Obergrenze angekommen.