Essen/Berlin..

40 Projekte hat die Deutsche Bahn neu bewertet. Das Ergebnis: Richtig wirtschaftlich sind eigentlich nur die Güterstrecken. Dabei fällt der Rhein-Ruhr-Express, die Super-S-Bahn Dortmund-Düsseldorf, unter den Tisch.

Es gibt einen Traum der Bundesregierung. Die Bahn soll in den nächsten Jahrzehnten 20 Prozent mehr Personen und 80 Prozent mehr Güter befördern. Was die Realität betrifft: Es fehlt das Geld, den Traum zu erfüllen. Mit mindestens 20 Milliarden Euro sind die Wünsche unterfinanziert.

Deshalb ist die Liste wichtig, die der Bundesverkehrsminister heute vorlegt. In ihr werden 40 Bahn-Vorhaben wirtschaftlich neu bewertet. Sie bestätigt eine Regel der Experten: Richtig wirtschaftlich zu bauen sind eigentlich nur Güterstrecken. Und deshalb wird der Rhein-Ruhr-Express, die Super-S-Bahn Dortmund-Düsseldorf, in dieser Rechnung unter den Tisch fallen. Auch der Ausbau der Strecke Lünen-Münster wird wohl zu wenig Ertrag bringen.

„Eiserner Rhein“ scheint lukrativ

Dass NRW sich trotzdem über das Ergebnis freuen kann, liegt am „Eisernen Rhein“. Bei dem Streckenvorhaben von Antwerpen über Mönchengladbach ins Revier, das an wenigen Stellen nur ausgebaut werden müsste, steht ein Nutzen von 506 Millionen Euro Kosten gegenüber, die bei lediglich 467 Millionen liegen. Und auch „Betuwe“ zwischen Emmerich und Oberhausen – das ist die andere, aber viel teurere Strecke am Niederrhein, bei der drittes Gleis und Lärmschutz dringend nötig sind – macht ein leichtes Plus von rund 140 Millionen Euro, wenn sie denn realisiert wird.

Ob die neuen Daten an den richtigen politischen Schaltstellen überzeugen, ist offen. Denn die Bundesregierung will nach wie vor das „große Geld“ aus ihrem Säckel lieber Stuttgart 21 zufließen lassen – ein Trend, dem NRW-Regierungen zu lange ziemlich untätig zugesehen haben. Dass sich bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen wenig ändern wird, wurde gestern in einer turbulenten Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestages deutlich.

„Günstige“ Rechnung bei „Stuttgart 21“

Der von der SPD-Fraktion geladene Experte Christian Böttger, der gegen das Projekt eingestellt ist, verlangte eine schlüssige und öffentlich einsehbare Kosten-Nutzen-Rechnung. Existierende Wirtschaftlichkeitsberechnungen seien offensichtlich „günstig gerechnet“ worden, sagte Böttger. Dabei spiele die Einberechnung von Güterverkehren eine zentrale Rolle, die aufgrund der technischen Gegebenheiten (Streckengefälle, fehlende Züge) aller Voraussicht nach gar nicht entstehen.

Bislang werden für die Verlegung des Bahnhofs unter die Erde und den Neubau der Strecke Ulm-Stuttgart Kosten von sieben Milliarden Euro veranschlagt, intern rechnet man bei der Deutschen Bahn AG mit bis zu 12 Milliarden Euro. Der Sachverständige Karlheinz Rößler geht sogar von 15 Milliarden Euro aus. DB-Vorstand Kefer widersprach jedoch. Er sagte, die Investitionskosten würden im Rahmen bleiben und sich nach „spätestens 50 Jahren“ amortisiert haben.

Baustopp gefordert

Die Aussage Böttgers, der von Union und FDP geladene Bahnverkehrs-Experten massiv gegenhielten, nutzten die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linkspartei, um einen sofortigen Baustopp bei Stuttgart 21 zu fordern. Es bleibt also – trotz Anhörung in Berlin, trotz der „Schlichtung“ von Heiner Geißler in Stuttgart – zunächst bei klaren Fronten.

Während der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter errechnete, ohne die „virtuellen Güterverkehrseffekte“ wer­de Stuttgart 21 bei der Wirtschaftlichkeit unter dem Faktor 1 landen und damit nach Haushaltsrecht gar nicht zuschussfähig sein, widersprach das Landesverkehrsministerium in Baden-Württemberg heftig. Es sieht die Wirtschaftlichkeit untermauert: „Ab 1 kann realisiert werden“, sagte ein Sprecher der verantwortlichen Ministerin Tanja Gönner (CDU). Sie rechnet den Güterverkehr mit ein.